Grundbegriffe
Stichprobenvarianz
Gegeben sei eine Grundgesamtheit mit der Zufallsvariablen mit und .
Aus dieser Grundgesamtheit wird eine Zufallsstichprobe vom Umfang gezogen.
Der Stichprobenvarianz liegt die Summe der quadrierten Abweichungen der Stichprobenvariablen vom Mittelwert der Grundgesamtheit zugrunde.
Abhängig von den Informationen, die über den Mittelwert bekannt sind, gibt es unterschiedliche Definitionen der Stichprobenvarianz.
Erwartungswert der Grundgesamtheit bekannt
In diesem Fall ist die Stichprobenvarianz gegeben durch
Erwartungswert der Grundgesamtheit unbekannt
Da der Erwartungswert der Grundgesamtheit unbekannt ist, muss er durch den Stichprobenmittelwert ersetzt werden.
Es wird dann im Allgemeinen die Stichprobenvarianz
verwendet.
Analog zur deskriptiven Statistik kann die Stichprobenvarianz auch als
definiert werden.
Verteilung der Stichprobenvarianz
Die Ableitung der Verteilung der Stichprobenvarianzen und soll für den Fall einer normalverteilten Grundgesamtheit, d.h. , und einer einfachen Zufallsstichprobe erfolgen.
Entsprechend dieser Voraussetzungen gilt, dass die Stichprobenvariablen unabhängig voneinander und ebenfalls normalverteilt mit und sind:
für alle
Weiterhin ist der Stichprobenmittelwert normalverteilt mit und :
Verteilung der Stichprobenvarianz bei bekanntem Erwartungswert
Aus der Definition der Stichprobenvarianz folgt:
und nach Division durch
Mit diesem Ergebnis können folgende Aussagen getroffen werden:
Nun ist bekannt, dass die Summe von voneinander unabhängigen und identisch standardnormalverteilten Zufallsvariablen Chi-Quadrat-verteilt ist.
Damit ergibt sich:
folgt einer Chi-Quadrat-Verteilung mit dem Parameter .
Die Verteilung von lässt sich somit nicht direkt, sondern nur über die transformierte Zufallsvariable angeben.
Da und jedoch Konstanten sind, können auch Wahrscheinlichkeitsaussagen für die Stichprobenfunktion gemacht werden.
Der Parameter ist die Anzahl der Freiheitsgrade, die der Anzahl der unabhängigen Summanden, d.h.
der Anzahl der standardisierten Zufallsvariablen , entspricht.
In diesem Fall ist , da bei einer einfachen Zufallsstichprobe alle Stichprobenvariablen unabhängig voneinander sind.
Für Erwartungswert und Varianz von ergibt sich:
Verteilung der Stichprobenvarianz bei unbekanntem Erwartungswert
Die Ableitung der Verteilung der Stichprobenvarianz erfolgt in analoger Weise.
Aus der Definition der Stichprobenvarianz folgt:
und nach Division durch
Da für dieses Ergebnis ebenfalls die obigen Aussagen zutreffen, ergibt sich:
folgt einer Chi-Quadrat-Verteilung mit dem Parameter .
Auch die Verteilung von lässt sich nicht direkt, sondern nur über die transformierte Zufallsvariable
angeben.
Mit Hilfe der Verteilung von kann man aber zu Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Stichprobenfunktion gelangen, da und Konstanten sind.
Der Parameter als Anzahl der Freiheitsgrade ist . Dies lässt sich wie folgt begründen:
Der Stichprobenmittelwert ist als das arithmetische Mittel aus den Stichprobenvariablen definiert: .
Damit gilt aber die Nulleigenschaft des arithmetischen Mittels, die besagt, dass die Summe der Abweichungen der Stichprobenvariablen vom Stichprobenmittelwert gleich Null ist:
Aufgrund dieser linearen Beziehung sind die Zufallsvariablen insgesamt nicht mehr unabhängig.
Nur Zufallsvariablen sind unabhängig, denn sie können frei variieren.
Die Realisation der -ten Zufallsvariablen liegt dann fest, um die Beziehung einzuhalten.
An dieser Eigenschaft ändert die Quadrierung und die Division durch nichts, so dass für die Anzahl der unabhängigen Summanden und damit die Anzahl der Freiheitsgrade ist.
Für Erwartungswert und Varianz von ergibt sich:
Zusatzinformationen
Zentrale Schwankungsintervalle
Bei bekannter Varianz einer normalverteilten Grundgesamtheit lässt sich die
Wahrscheinlichkeit berechnen, dass die Stichprobenvarianz Werte in einem zentralen Schwankungsintervall mit der Sicherheitswahrscheinlichkeit annimmt.
Es ist
Die Wahrscheinlichkeit, dass nach unten bzw. nach oben aus dem Intervall herausfällt, beträgt:
Für findet man die Grenzen des Intervalls aus der Tabelle der Verteilungsfunktion der Chi-Quadrat-Verteilung als
Damit wird
Durch Umformung ergibt sich ein zentrales Schwankungsintervall für :
Unter Berücksichtigung von kann mit gleichen Überlegungen das zentrale Schwankungsintervall
für bestimmt werden:
Herleitung des Erwartungswertes der Stichprobenvarianz
Bei bekanntem Erwartungswert der Grundgesamtheit
Bei bekanntem Erwartungswert der Grundgesamtheit ist die Stichprobenvarianz gegeben durch
Für den Erwartungswert von ergibt sich:
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Dabei wurde die Tatsache berücksichtigt, dass alle Stichprobenvariablen die Varianz haben.
Bei unbekanntem Erwartungswert der Grundgesamtheit
Bei unbekanntem Erwartungswert der Grundgesamtheit ist die Stichprobenvarianz gegeben durch
Zunächst einige Zwischenbetrachtungen. Grundsätzlich lässt sich die Varianz einer Zufallsvariablen wie folgt
schreiben:
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Daraus folgt:
Dieses Ergebnis wird auf die Stichprobenvariablen und den Stichprobenmittelwert angewandt:
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Weiterhin ist unter Berücksichtigung dieser Resultate:
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Somit erhält man für den Erwartungswert der Stichprobenvarianz :
Herleitung der Varianz der Stichprobenvarianz
Bei bekanntem Erwartungswert in der Grundgesamtheit
Bei bekanntem Erwartungswert der Grundgesamtheit ist die Stichprobenvarianz gegeben durch
Die Varianz einer Chi-Quadrat-verteilten Zufallsvariable mit dem Parameter ist .
Da einer Chi-Quadrat-Verteilung mit dem Parameter folgt, ergibt sich:
und damit
Bei unbekanntem Erwartungswert in der Grundgesamtheit
Bei unbekanntem Erwartungswert der Grundgesamtheit ist die Stichprobenvarianz gegeben durch
Da einer Chi-Quadrat-Verteilung mit dem Parameter folgt, ergibt
sich:
und damit
Analog zur deskriptiven Statistik kann die Stichprobenvarianz auch als
definiert werden.
Zur Herleitung des Erwartungswertes werden alle vorherigen Zwischenergebnisse verwendet, so dass folgt:
Der Erwartungswert dieser Stichprobenvarianz ist nicht gleich der Varianz der Grundgesamtheit.
Dies ist der Grund dafür, dass sie in der induktiven Statistik weniger Anwendung findet.
Beispiele
Arbeitsgang
Für die Beurteilung der Gleichmäßigkeit der benötigten Zeit von Arbeitsgängen wird vielfach die Streuung herangezogen.
Die von einem Arbeiter benötigte Zeit für einen bestimmten Arbeitsgang ist die Zufallsvariable in der Grundgesamtheit.
sei normalverteilt mit und .
Es wird eine Zufallsstichprobe vom Umfang gezogen.
Da die Grundgesamtheit aus allen möglichen Zeitmessungen für den gleichen Arbeitsgang, ausgeführt von demselben Arbeiter, besteht und deshalb
als sehr groß angesehen werden kann, wird von der Realisierung einer einfachen Zufallsstichprobe ausgegangen.
Die Stichprobenvariablen "i-te Zeitmessung für den Arbeitsgang" sind somit unabhängig voneinander und identisch normalverteilt.
Berechnung der Wahrscheinlichkeit
Es wird eine Zufallsstichprobe vom Umfang gezogen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Stichprobenvarianz Werte im Intervall annimmt?
Gesucht ist somit .
Zur Lösung wird jede Seite der Ungleichung mit erweitert:
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Mit folgt:
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Stichprobenvarianz Werte zwischen und annimmt, ist identisch mit der Wahrscheinlichkeit, dass die transformierte Zufallsvariable Werte zwischen 7 und 21 annimmt.
Die Zufallsvariable ist Chi-Quadrat-verteilt mit
Freiheitsgraden, so dass die gesuchte Wahrscheinlichkeit mittels Tabellen der Verteilungsfunktion der Chi-Quadrat-Verteilung bzw. über Computerberechnungen bestimmt werden kann:
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Die Wahrscheinlichkeit, dass die Stichprobenvarianz Werte im Intervall annimmt, beträgt 0,8331.
Die folgende Grafik zeigt die Dichtefunktion der Chi-Quadrat-Verteilung mit , wobei repräsentiert.
<R output="display">
pdf(rpdf,height=7,width=7)
curve(from=0, to=35, dchisq(x, df=14), xaxt="n", , yaxt="n", ylab="f(y)", xlab="y", col="blue", ylim=c(0.0,0.09), lty=1, lwd=4, font.lab=2, "xaxs"="i" ,"yaxs"="i", bty="l")
axis( side=1, at=3.5*c(0:10), tick=TRUE)
axis( side=2, at=0.03*c(0:3), tick=TRUE)
par(new=TRUE)
xx <-c(7:21, 21:7)
yy <-c(c(dchisq(c(7:21), df=14)),c(rep(0,15)))
polygon(xx, yy, col="palegreen", border=NA)
par(new=TRUE)
curve(from=0, to=35, dchisq(x, df=14), xaxt="n", , yaxt="n", ylab="f(y)", xlab="y", col="blue", ylim=c(0.0,0.09), lty=1, lwd=4, font.lab=2, "xaxs"="i" ,"yaxs"="i", bty="l")
abline(v=7, col="black", lwd=1, lty=2)
abline(v=21, col="black", lwd=1, lty=2)
</R>
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Zentrales Schwankungsintervall der Stichprobenvarianz
Es soll ein zentrales Schwankungsintervall für die Stichprobenvarianz mit der Sicherheitswahrscheinlichkeit bestimmt werden, wenn die gleiche Grundgesamtheit vorausgesetzt und eine Zufallsstichprobe vom Umfang gezogen wird.
Aufgrund von
und
findet man in der Tabelle der Verteilungsfunktion der Chi-Quadrat-Verteilung mit Freiheitsgraden:
und .
Damit wird:
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,95 nimmt die transformierte Zufallsvariable Werte im Intervall an.
Durch Umformung ergibt sich ein zentrales Schwankungsintervall für :
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,95 nimmt die Stichprobenvarianz Werte im Intervall an.
Die Grenzen des Intervalls können nur bestimmt werden, wenn die Varianz der Zufallsvariablen "benötigte Zeit für einen bestimmten Arbeitsgang" in der Grundgesamtheit bekannt ist.