Eigenzeit

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Begriff


Mit Eigenzeit wird in der Physik die Zeit bezeichnet, die sich an einer Uhr direkt ablesen lässt (siehe auch Uhrzeit). Dies ist insbesondere bei der speziellen Relativitätstheorie zum Nachweis des sogenannten Zwillingseffekts erforderlich. Dieser besagt, "dass die Eigenzeiten zweier Uhren sich im allgemeinen unterscheiden, wenn sich die Uhren relativ zueinander bewegen. Ruht die eine Uhr in einem Inertialsystem, während sich die zweite vom Ort der ersten aus auf eine Raketenrundreise begibt, dann ist die Eigenzeitdifferenz zwischen Abflug- und Rückkehrzeitpunkt für die Uhr in der Rakete geringer als für die ruhende erste Uhr". [1]


Medienwissenschaftliche Perspektive


Die Eigenzeiten technischer Medien entstehen zwar aus der menschliche Welt und deren Zeitlichkeit und sind Produkt menschlichen Wissens, gehorchen aber mathematischen physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die ohne den genannten Mensch wirkmächtig sind. Die besondere Zeitstruktur von technischen Medien liegt an deren Orientierung an von sich selbst gesetzter Zeitstruktur. Eigenzeit technischer Medien drückt sich in drei Bereichen aus, die miteinander verschränkt sind.

1. Zeit wird überhaupt erst durch technische Medien messbar, zählbar und führt zu einer neuen technomathematischen Zeit, die völlig entfesselt ist von der kulturtechnischen, astronomischen Zeit (siehe auch Zeitsinn. Dies lässt sich am Beispiel der logischen Schaltsekunde veranschaulichen. Unsere hochpräzise Zeit basiert auf der Atomsekunde, deren Dauer 1967 festgelegt wurde. Die damals definierte Sekunde wurde festgelegt als das 9 192 631 770 - fache der Periodendauer einer Schwingung im Cäsiumatom. Nun hinkt die Erde der Zeit aus den Atomuhren nach, da sie völlig unabhängig von astronomischen Phänomenen stattfindet. Deshalb wurde z.B. zum Jahresbeginn 2006 eine logische Schaltsekunde eingefügt um diese zwei Zeitweisen wieder anzugleichen. Die Zeitanzeige verliert endgültig ihren Abbildcharakter und wird selbst zur time base, die so hin und wieder an die Erdzeit angepasst wird. Der erste Bereich der Eigenzeit ist also die technisch induzierte Zeit, jenseits der biologischen oder astronomischen Zeit.

2. Die Eigenzeitlichkeit technischer Medien entzieht sich der Historie. Laut Wolfgang Ernst gibt eine logische Un-Zeitlickeit technomathematischer Logiken. Mathematik und damit technische Medien sind gewisser Weise entkoppelt von irdischer Zeit. Als Beispiel hierzu wäre das gleichzeitige Aufkommen der Idee des universellen Berechnens an zuführen, hier von Angel Willis beschrieben: "Eines der besonders verblüffenden Beispiele für die Gleichzeitigkeit in der Wissenschaft - Turing, Church und einer weiterer britischer Mathematiker namens Emil Post kamen alle unabhängig von einander ungefähr zur gleichen Zeit auf die Idee des universellen Berechnens. Sie beschrieben es auf sehr unterschiedliche Weise, aber alle veröffentlichten ihre Ergebnisse 1937 und schufen damit de Voraussetzung für die Computerrevolution".[2] Das soll bedeuten, dass technische Medien auch in ihrer eigenen Logik als theoretische Maschinen, sich der irdischen, entropiebehafteten Zeit entziehen. Schaltpläne werden nicht historisch, sondern behalten einen aktuellen Wert, verfügen über eine Unvergangenheit, eine Gleichursprünglichkeit. Der zweite Bereich der Eigenzeit betrifft also das Verhältnis von Medien in der Zeit.

3. Die Eigenzeit der Medien als auto-poetische temporale Strukturen, eine Zeitlichkeit, die sich Menschen entzieht und auf einer zeitkritischen Ebene arbeitet(Computer, Fernsehen etc). Vor allem moderne elektronische Maschinen operieren in einem Geschwindigkeitsbereich, der es für Menschen völlig unmöglich macht, ihre Funktionalität direkt zu beobachten. Diese Situation entspricht einem Zustand ihrer inneren Unzugänglichkeit, als existierte sie in einer von der Temporalität des menschlichen Bewusstseins vollständig abgekoppelten Zeitschicht.


Artefakte


Swatch-Internetzeit für medieninduzierte Zeit.


Weiterführendes


Götz Großklaus, Medien-Zeit Medien-Raum 1995

Wolfgang Ernst, Chronopoetik. Berlin Kadmos 2012

Wolfgang Ernst, Gleichursprünglichkeit, Berlin Kadmos 2012


Textverweise


  1. http://www.einstein-online.info/lexikon/eigenzeit | Stand 16.10.17, 11.30 Uhr
  2. Daniel Willis, Computerlogik. So einfach arbeiten Computer, München 2002. S.89