§95: Unterschied zwischen den Versionen
Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik
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Für die Analyse der Formenbildung ist zweckmäßigerweise zwischen Stamm und Endung zu unterscheiden. Zur vollständigen Bestimmung der Form müssen beide genau betrachtet werden. Die <b>Stämme</b> des Neutralen Partizips entsprechen den Wörterbuch-Nennformen mit folgenden Ausnahmen: | |||
Für die Analyse der Formenbildung ist zweckmäßigerweise zwischen Stamm und Endung zu unterscheiden. Zur vollständigen Bestimmung der Form müssen beide genau betrachtet werden. Die Stämme des Neutralen Partizips entsprechen den Wörterbuch-Nennformen mit folgenden Ausnahmen: | |||
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Die Endungen entsprechen bei den beiden Neutralen Partizipien den normalen Adjektiv-Endungen (vgl. [[§54#Abschnitt_2|§54 (2)]]). Es gibt jedoch im Mittelägyptischen keine Dual-Bildungen. | Die <b>Endungen</b> entsprechen bei den beiden Neutralen Partizipien den normalen Adjektiv-Endungen (vgl. [[§54#Abschnitt_2|§54 (2)]]). Es gibt jedoch im Mittelägyptischen keine Dual-Bildungen. | ||
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: <nowiki>*</nowiki>) Traditionell im Fem. Pl. jeweils {{U|.(w)t}}. Das {{U|w}} wird allerdings nie geschrieben! Vgl. dazu die Bemerkungen zur Substantiv- und Adjektiv-Morphologie ([[§24]], [[§54]]). (Ob bzw. wann es im Klassischen Mittelägyptisch gesprochen-sprachlich extra Feminin-Plural-Form bei Partizipien gab, ist noch genauer zu erforschen.) | : <nowiki>*</nowiki>) Traditionell im Fem. Pl. jeweils {{U|.(w)t}}. Das {{U|w}} wird allerdings nie geschrieben! Vgl. dazu die Bemerkungen zur Substantiv- und Adjektiv-Morphologie ([[§24]], [[§54]]). (Ob bzw. wann es im Klassischen Mittelägyptisch gesprochen-sprachlich extra Feminin-Plural-Form bei Partizipien gab, ist noch genauer zu erforschen.) |
Aktuelle Version vom 26. Juli 2018, 11:08 Uhr
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Partizipien I: das merkmallose „Neutrale Partizip“
(1) Begriffsklärung
Ein Partizip ist eine adjektivische Form des Verbs. Ein Partizip kann wie ein normales Adjektiv z.B. attributiv bei Substantiven stehen. Da Partizipien sowohl verbale als auch adjektivische Charakteristika haben, flektieren sie sowohl nach Tempus/Aspekt/Modus/Diathese (wie finite Verben, §79), als auch nach Numerus und Genus (wie Adjektive, §55).
Vergleiche:
Adjektiv die guten Spieler die gut-en Spieler def.m.pl.nom gut-m.pl.nom Spieler:m.pl.nom Partizipien die laufenden Spieler die lauf-end-en Spieler def.m.pl.nom laufen-ptzp.präs.act-m.pl.nom Spieler:m.pl.nom der ausgekippte Becher der aus-ge-kipp-t-e Becher def.m.sg.nom auskippen<ptzp.pfct.pass>-m.sg.nom Becher:m.sg.nom
Bei den Partizipien sind im Älteren Ägyptischen im Kern zweimal zwei Formenreihen zu unterscheiden: das hier besprochene „Neutrale Partizip“, einmal Aktiv und einmal Passiv (Abk. „NPA“ bzw. „NPP“), und das „Distributive Partizip,“ einmal Aktiv und einmal Passiv (dazu §96).
Das „Neutrale Partizip“ (F. Kammerzell) wird auch als „merkmalloses Partizip“ (W. Schenkel) oder traditionell als „perfektives Partizip“ bezeichnet.
Das Neutrale Partizip ist – anders als im Deutschen – nicht auf ein Tempus festgelegt, d.h. es kann prinzipiell mit dem dtsch. Partizip Präsens (‘singende’) oder dem Partizip Perfekt (‘gesungen habende’), oder selten sogar futurisch übersetzt werden (‘singen werdende’). (Aus Gründen, die später ersichtlich werden, passt meist eine Übersetzung mit Partizip Perfekt.) Häufig kann man die Bedeutung von ägyptischen Partizipien in der deutschen Übersetzung aber eleganter mit einem Relativsatz anstelle eines Partizips wiedergeben. Vergleiche analog: ‘der laufende Spieler’ = ‘der Spieler, der läuft’, oder ‘der ausgekippte Becher’ = ‘der Becher, der ausgekippt worden ist’.
- Beispiele:
Neutrales Partizip Aktiv 𓊹𓏤 𓌸 nṯr mr(j) ‘der liebende/geliebt habende Gott’
= ‘der Gott, der liebt/liebte’;Neutrales Partizip Passiv 𓊹𓏤 𓌸𓇋𓇋 nṯr mry ‘der geliebte Gott’
= ‘der Gott, der geliebt wird/wurde’.
(2) Formen
Für die Analyse der Formenbildung ist zweckmäßigerweise zwischen Stamm und Endung zu unterscheiden. Zur vollständigen Bestimmung der Form müssen beide genau betrachtet werden. Die Stämme des Neutralen Partizips entsprechen den Wörterbuch-Nennformen mit folgenden Ausnahmen:
- Aktiv: Bei Verben IIae geminatae fällt der Zwillingskonsonant weg:
- z.B. 𓄿𓅓𓅓𓂬 ꜣmm ‘packen’ → NPA-Stamm 𓄿𓅓𓂬 ꜣm-.
- Passiv: Bei Verben ultimae infirmae ist der schwache Konsonant (j) optional als 𓇋𓇋 y geschrieben:
- z.B. 𓌸 mr(j) ‘lieben’ → NPP-Stamm 𓌸𓇋𓇋 mry- oder 𓌸 mr(y)-.
Stark | IIae geminatae | IIIae infirmae | rḏ(j) | jw(j)/jj(j) |
---|---|---|---|---|
Stamm des Neutralen Partizips Aktiv sḏm-/ jr(j)- | ||||
𓄔𓅓 | 𓄿𓅓𓂬 | 𓁹 | 𓂋𓂞 ~ 𓂞 | 𓇍𓇋𓂻 |
sḏm- | ꜣm- | jr(j)- | rḏ(j) ~ ḏ(j) | jj(j)- |
Stamm des Neutralen Partizips Passiv sḏm- / jr(y)- | ||||
𓄔𓅓 | 𓄿𓅓𓅓𓂬 | 𓁹𓇋𓇋 ~ 𓁹 | 𓂋𓂞 | (?) |
sḏm- | ꜣmm- | jry ~ jr(y) | rḏ(y) |
Die Endungen entsprechen bei den beiden Neutralen Partizipien den normalen Adjektiv-Endungen (vgl. §54 (2)). Es gibt jedoch im Mittelägyptischen keine Dual-Bildungen.
Singular | Plural | |
---|---|---|
Maskulinum | (keine) | (keine), 𓏦, 𓅱, 𓅱 + 𓏦 |
.(w), .w | ||
Femininum | 𓏏 | 𓏏, 𓏏 + 𓏦 |
.t | .t *) |
- *) Traditionell im Fem. Pl. jeweils .(w)t. Das w wird allerdings nie geschrieben! Vgl. dazu die Bemerkungen zur Substantiv- und Adjektiv-Morphologie (§24, §54). (Ob bzw. wann es im Klassischen Mittelägyptisch gesprochen-sprachlich extra Feminin-Plural-Form bei Partizipien gab, ist noch genauer zu erforschen.)
Beispiele:
𓊹𓊹𓊹 𓌸 nṯr.(w) mr(j.w) NPA:m.pl ‘die liebenden/geliebt habenden Götter’; 𓊹𓊹𓊹 𓌸𓇋𓇋 nṯr.(w) mry(.w) NPP:m.pl ‘die geliebten Götter’; 𓊹𓂋𓏏𓁐 𓌻𓏏 nṯr.t mr(j).t NPA:f.sg ‘die liebende/geliebt habende Göttin’; nṯr.t mr(y).t NPP:f.sg ‘die geliebte Göttin’; 𓊹𓊹𓊹 𓄿𓅓𓂬 nṯr.(w) ꜣm(.w) NPA:m.pl ‘die packenden/gepackt habenden Götter’. 𓊹𓊹𓊹 𓄿𓅓𓅓𓅱𓂬 nṯr.(w) ꜣmm.w NPP:m.pl ‘die gepackten Götter’;
(3) Substantivierter Gebrauch
Wie normale Adjektive so können auch Partizipien substantiviert gebraucht werden (vgl. §56). Ihnen wird dann gerne, aber optional ein Klassifikator hinzugefügt, der sich auf den Referenten bezieht („Referentenklassifikator“).
𓌸𓇋𓇋 , 𓌸𓇋𓇋𓀀 mry ‘der Geliebte’ (NPP:m.sg); 𓈖𓇋𓋴𓅱𓀞, 𓈖𓇋𓋴𓅱𓀞𓀭𓏪 njs.w ‘die Rufenden’ (NPA:m.pl), njs.w ‘die Gerufenen’ (NPP:m.pl); 𓈖𓇋𓋴𓀞𓀭 njs ‘der Rufende’ (NPA:m.sg), njs ‘der Gerufene’ (NPP:m.sg).
(4) Objekte am Partizip
Aktive Partizipien können die vom zugrunde liegenden Verb geforderten direkten (wen?) und indirekten (wem?) Objekte haben. Im Deutschen lässt sich die Phrase meist eleganter als Relativsatz übertragen:
𓊹𓊹𓊹 𓄿𓅓𓅱𓂬 𓅡𓏦 nṯr.(w) ꜣm.w bꜣ.(w) ‘die Seelen gepackt habenden Götter’
‘die Götter, die die Seelen gepackt haben’;𓌻𓏏 𓋹𓈖𓐍 mr(j).t ꜥnḫ ‘die das Leben Liebende’
‘die, die das Leben liebt’ (substantiviert).
(5) Negation
Wie viele substantivische und andere adjektivische Verbalformen, werden die Partizipien negiert, indem man das Partizip des Negationsverbs 𓏏𓍃 / 𓏏𓍃𓂜 tm ‘nicht (sein/tun)’ bildet und das eigentlich zu negierende Verb in der Form des Negativkomplements (§77) daran hängt, z.B. tm pr(j.w) ‘der nicht Hervorkommende; der, der nicht hervorkommt’.
Literaturhinweise
Allen (²2010: ch. 23.1–7,9,12,18); Schenkel (⁵2012: Kap. 7.5.1, 7.5.4).
Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).
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Daniel A. Werning. 26.7.2018. "§95", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A795%26oldid=717 (Zugriff: 22.11.2024).
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