§96

Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik

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Partizipien II: das „Distributive Partizip“

(1) Begriffsklärung und Bedeutung

Neben den aktiven und passiven Neutralen Partizipien (§95), verfügt das Ältere Ägyptisch über ein zweites Paar von Partizipien: die „Distributiven Partizipien“, einmal Aktiv und einmal Passiv (Abk. „DPA“ bzw. „DPP“). Die Distributiven Partizipien sind wie die Neutralen Partizipien ebenfalls prinzipiell tempus-neutral; sie bezeichnen aber speziell:

  • regelmäßig oder in ungleichen Abständen wiederholte Handlungen („habituelle“ Handlungen),
  • andauernde Handlungen („durative“ Handlungen),
  • Handlungen, die mehrere Objekte (seltener Subjekte) involvieren, d.h. insbesondere Handlungen, die an oder mit mehreren Personen oder Dingen vollzogen werden („distributive“ Handlungen).

Beispiele:

𓊹𓊹𓊹 𓄔𓅓𓇋𓇋𓅱 nṯr.(w) sḏm.yw ‘die zuhörenden Götter’ (habituell)
= ‘die Götter, die zu hören pflegen’;
𓊹𓏤 𓌸𓂋𓂋𓅱 nṯr mrr.w ‘der geliebte Gott’ (durativ)
= ‘der Gott, der (immer) geliebt wird’;
𓂞𓂞 𓏏𓏑𓏒 𓈖𓊹𓊹𓊹 ḏḏ(.ï) tʾ n nṯr.(w) ‘der den Göttern Brot Gebende’ (substantiviert)
= ‘der, der den Göttern Brot gibt’ (distributiv).

Die gewählte Bezeichnung „Distributives Partizip“ (von lat. distributum ‘verteilt’) greift also eigentlich nur eine der typischen Bedeutungen auf. Das „Distributive Partizip“ (W. Schenkel) wird traditionell als „imperfektives Partizip“ bezeichnet. Das Phänomen bezeichnet man auch als „verbale Pluralität“.

Neutrale Partizipien haben im Gegensatz zu Distributiven Partizipien keine vergleichbar besondere Bedeutung. Da Distributive Partizipien aber nicht für einmalige punktuelle Handlungen benutzt werden können, werden in solchen Fällen regelmäßig Neutrale Partizipien verwendet; dazu gehören insbesondere auch Handlungen in der Vergangenheit, die häufig einmalig und punktuell sind. Praktisch ergibt sich für die Übersetzung die Konsequenz, dass Neutrale Partizipen statistsch häufiger Vergangenheitsaussagen machen als Distributive Partizipien. Theoretisch sind aber beide Formen tempusneutral.


(2) Formen

a) Der Stamm des Distributiven Partizips Aktiv und Passiv entspricht den Wörterbuch-Nennformen mit folgender wichtiger Ausnahme. Bei Verben ultimae infirmae ist der vorletzte Konsonant „redupliziert“: z.B. 𓌸 mr(j) ‘lieben’ → DPA/DPP-Stamm 𓌸𓂋𓂋 mrr-.

Stark IIae geminatae IIIae infirmae rḏ(j) jw(j)/jj(j)
Stamm des Distributiven Partizips Aktiv und Passiv sḏm- / jrr-
𓄔𓅓 𓄿𓅓𓅓𓂬 𓁹𓂋 𓂞𓂞 𓂻𓅱𓅱
sḏm ꜣmm jrr (redupliziert!) (redupliziert) jww
Zum Vergleich:
Stamm des Neutralen Partizips Aktiv sḏm-/ jr(j)-
𓄔𓅓 𓄿𓅓𓂬 𓁹 𓂋𓂞 ~ 𓂞 𓇍𓇋𓂻
Stamm des Neutralen Partizips Passiv sḏm-/ jr(y)-
𓄔𓅓 𓄿𓅓𓅓𓂬 𓁹𓇋𓇋 ~ 𓁹 𓂋𓂞 (?)


b) Die Endungen entsprechen in erster Näherung den normalen Adjektiv-Endungen. Beim Distributiven Partizip Aktiv gibt es aber vor den Adjektivendungen ein zusätzliches Endungselement 𓏭 / 𓇋𓇋 (-ï- / -y-). Dies wird aber nur im Mask. Pl. häufig geschrieben. In der Tat ist die Endung 𓇋𓇋𓅱 ein charakteristisches Zeichen dafür, dass ein DPA (im m.pl) vorliegt.

Singular Plural
Maskulinum (keine), 𓏭, 𓇋𓇋 𓅱, 𓇋𓇋𓅱, 𓇋𓇋, 𓅱 + 𓏦, 𓇋𓇋𓅱 + 𓏦, 𓇋𓇋 + 𓏦
(.ï), .ï, .y .(ï)w, .yw, .y(w)
Femininum 𓏏 𓏏, 𓏏 + 𓏦
.(ï)t .(ï)t *)

Beim Distributiven Partizip Passiv gibt es im Maskulinum zusätzliches Endungselement 𓅱 -w-:

Singular Plural
Maskulinum 𓅱, (keine) 𓅱, 𓅱 + 𓏦
.w, (.w) .w(w)
Femininum 𓏏 𓏏, 𓏏 + 𓏦
.t .t *)
*) Vgl. den analogen Kommentar in §95.

Beispiele:

𓊹𓊹𓊹𓌻𓂋𓂋𓅱 nṯr.(w) mrr.(y)w DPA:m.pl ‘die liebenden Götter’
nṯr.(w) mrr.w(w) DPP:m.pl ‘die geliebten Götter’
𓊹𓊹𓊹𓄔𓅓𓇋𓇋𓅱 nṯr.(w) sḏm.yw DPA:m.pl ‘die zuhörenden Götter’
𓊹𓊹𓊹𓄔𓅓𓇋𓇋 nṯr.(w) sḏm.y(w) DPA:m.pl ‘die zuhörenden Götter’
𓊹𓊹𓄿𓅓𓅓𓅱𓂬 nṯr.(w) ꜣmm.(y)w DPA:m.pl ‘die packenden Götter’
nṯr.(w) ꜣmm.w(w) DPP:m.pl ‘die gepackten Götter’
𓊹𓂋𓏏𓁐 𓌸𓂋𓂋𓏏 nṯr.t mrr.(ï)t DPA:f.sg ‘die liebende Göttin’
nṯr.t mrr.t DPP:f.sg ‘die geliebte Göttin’
𓊹𓏤‌𓈖‌𓇋𓋴𓅱𓀞 nṯr njs.w DPP:m.sg ‘der gerufene Gott’
𓈖‌𓇋𓋴𓅱𓀞𓀭 njs.w DPP:m.sg ‘der Gerufene’ (substantiviert)
𓊹𓊹𓊹𓈖‌𓇋𓋴𓇋𓇋𓀞 nṯr.(w) njs.y(w) DPA:m.pl ‘die rufenden Götter’
𓈖‌𓇋𓋴𓇋𓇋𓅱𓀞𓀭𓏪 njs.yw DPA:m.pl ‘die Rufenden’ (substantiviert)
𓂞𓂞 𓏏𓏑𓏒 𓈖 𓊹𓊹𓊹 ḏḏ(.ï) tʾ n nṯr.(w) DPA:m.sg ‘der, der den Göttern Brot gibt’ (subst.).

Literaturhinweise

Allen (²2010: ch. 23.4–7, 10); Schenkel (⁵2012: Kap. 7.5.1); Werning (2011, I: §29); Jansen-Winkeln (1997).

Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).


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Daniel A. Werning. 26.7.2018. "§96", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A796%26oldid=718 (Zugriff: 12.12.2024).

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