§3

Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik

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Das hieroglyphisch-ägyptische Alphabet und „Einkonsonantenzeichen“

Phon, Phonem

Der menschliche Sprachapparat kann viele verschiedene Laute, linguistisch „Phone“, produzieren. Nicht alle werden in jeder Sprache zur Unterscheidung verschiedener Wörter genutzt. Bei den Lauten, die eine Sprache zur Unterscheidung verschiedener Wörter nutzt, spricht man linguistisch von ihren „Phonemen“. Die Phonem-Menge ist von Sprache zu Sprache verschieden.

(1) Im hieroglyphisch-ägyptischen Schriftsystem des 2. Jt. v.Chr. werden ca. zwei Dutzend bedeutungsunterscheidende Laute (linguistisch „Phoneme“) wiedergegeben, für die sich folgende „Umschriftzeichen“ eingebürgert haben: , j, ï, y, , w, b, p, f, m, n, r, h, , , , z, s, š, q, k, g, t, , d, . Die angegebene Reihenfolge bestimmt auch die Sortierung von Wörtern im Wörterbuch. Die Umsetzung hieroglyphischer Schreibungen in die damit wiedergegebenen Phoneme wird als „Umschreibung“, die resultierende Phonem-Symbolkette als „Umschrift“ bezeichnet.

Beispiele: 𓂋𓈖rn, 𓎡‌𓇋𓇋ky, 𓋴𓂋𓀙sr.

Da diese Art der Umschreibung in aller Regel nicht 1:1 alle Informationen der hieroglyphischen Schrift wiedergibt, sondern zu einem gewissen Informationsverlust führt (vgl. z.B. dreigliedriges 𓋴𓂋𓀙 → zweigliedriges sr), wird sie genauer auch nicht als Transliteration, sondern als „Transkription“ bezeichnet. Auch die resultierenden Phonem-Symbolketten, hier z.B. rn, ky und sr, werden als „Transkription“ bezeichnet. Die Umschriftzeichen werden analog auch als „Transkriptionszeichen“ bezeichnet. Die folgende Liste führt noch einmal die Transkriptionszeichen der im hieroglyphisch-ägyptischen Schriftsystem geschriebenen Phoneme auf, sowie deren moderne Rufnamen, ihre Behelfsaussprache im deutschen Wissenschaftsalltag, sowie die hieroglyphischen Zeichen, die diese Phoneme einzeln wiedergeben, sog. „Einkonsonantenzeichen“.

Transkription Gängiger
ägyptologischer
Rufname
Deutsche
ägyptologische
Behelfsaussprache
Entsprechende
Hieroglyphe
(Einkonsonantenzeichen)
Von Hieroglyphe
dargestelltes Objekt
1. Behelfsaussprache-Vokale
Alif (kurzes) a wie in Land 𓄿 ägyptischer Geier
j Jod langes i wie in sie 𓇋 Schilfrohrblatt
ï Doppelstrich 𓏭 , 𓏮 zwei Striche
y Doppelschilfblatt 𓇋𓇋 zwei Schilfrohrblätter
Ain (langes) a wie in Hase 𓂝 Arm
w Waw (langes) u wie in Hut;
an Wortanfang und -mitte
teils w wie in engl. way
𓅱 Wachtelküken
Waw Schlaufe 𓏲 Adaption einer hieratischen Abk.
2. „BLeMNeR“-Konsonanten
b b(e) b 𓃀 Bein
p p(e) p 𓊪 Hocker (oder Matte) aus Schilf
f (e)f f 𓆑 Hornviper
m (e)m m 𓅓 Eule
n (e)n n 𓈖 gekräuseltes Wasser
r (e)r r 𓂋 Mund
3. „H-Laute“
h h(a) h (am Wortende zur Verdeutlichung ch
wie in Dach)
𓉔 Hof
h(a)-mit-Punkt /
Emphatisches h(a)
𓎛 Docht
h(a)-mit-Bogen raues ch wie in Dach 𓐍 Schirm(?) oder Korb(?) von oben
h(a)-mit-Strich zischendes ch wie in ich 𓄡 Tierbauch mit Schwanz
4. „S-Laute“
z Riegel-(e)s (weiches) s wie in Sand 𓊃 Türriegel
s Tuch-(e)s (scharfes) ss/ß wie in Pass/Fuß 𓋴 gefaltetes Stofftuch
š Schīn sch wie in schießen 𓈙 Teich
5. „K-Laute“
q Qaf /
Emphatisches k(a)
k 𓏘 Abhang
k k(a) 𓎡 Korb mit Henkel
g g(e) g 𓎼 Krugständer
6. „T-Laute“
t t(e) t 𓏏 Brotlaib
tsch(e) tsch wie in Quatsch 𓍿 Strick
d d(e) d 𓂧 Hand
dj dj/dsch wie in Dschungel 𓆓 Kobra

Hinweis: Zu abweichenden Transkriptionssymbolen anderer ägyptologischer Schultraditionen, namentlich ı͗, , , ś, , č, und č̣, siehe §16.

In einer Handvoll von wichtigen ägyptischen Wörtern hat die Forschung aus bestimmten Gründen bislang nicht klären können, ob an einer bestimmten Stelle des Wortes ein , ein j oder ein w anzusetzen ist. Man weiß nur, dass da einer der genannten Konsonanten gestanden haben muss. Hier wird ggf. ein Platzhalter-Symbol „ʾ transkribiert, das auch als „sekundäres Alif“ bezeichnet wird (zu betreffenden Wörtern siehe §19 (2)). Das ʾ wird wie als (kurzes) a gesprochen und in Wörterbüchern vor einsortiert. Man beachte sorgfältig den Unterschied zwischen den Transkriptionszeichen (Alif), (Ain) und ʾ (Platzhalter, „sekundäres Alif“).

Es ist wichtig, grundsätzlich zu wissen, dass die oben angegebenen (deutschen) ägyptologischen Behelfsaussprachen nicht in allen Fällen den tatsächlich angenommenen antiken Lautungen der entsprechenden Phoneme entsprechen. Die ägyptologischen Aussprachen sind wissenschaftshistorisch begründet und heutzutage nur noch eine praktische Aussprache-Übereinkunft zwischen ForscherInnen, die teils nichts mit der wirklichen Lautung zu tun hat (zu den Details siehe ggf. unten).

Achtung: In der englischsprachigen Ägyptologie hat es sich verwirrender Weise eingebürgert, die Transkription als „transliteration“ zu benennen und die Transliteration (vgl. §2) teilweise als „transcription“.


(Der folgende Abschnitt kann ggf. zunächst übergangen werden.)

(2) Die Kenntnis der wirklichen Lautungen der ägyptischen „Phoneme“ ist zwar keine Grundvoraussetzung zum Erlernen der hieroglyphisch-ägyptischen Grammatik, ist aber Voraussetzung zum wirklichen Verständnis einiger orthographischer Phänomene (§5 und §17, §18.

Die Frage, wie die Phoneme einer Sprache in der Schrift wiedergegeben werden, spricht ein komplexes Problem an. Im Bezug auf das hieroglyphisch-ägyptische Schriftsystem des 2. Jt. v.Chr. ist zunächst festzustellen, dass es – ähnlich wie das arabische und hebräische Schriftsystem – in der Regel nur die „Konsonanten“ („Mitlaute“, z.B. /t/, /k/, /f/) und einige „Halbkonsonanten/Halbvokale“ ([j]~[i] und [w]~[u]; siehe §5) eines Wortes wiedergibt, jedoch nicht die „(Voll-)Vokale“ („Selbstlaute“, z.B. /a/).

Phonem-Lautungen werden in der modernen Sprachforschung in Schrägstrichen mit standardisierten Symbolen, dem International Phonetic Alphabet, angeben (z.B. /i/, /m/, /ʕ/). Während fast alle Sprachen z.B. ein Phonem /m/ haben, sind andere Phoneme nur in bestimmten Sprachen zu finden, z.B. /ʃ/ (dtsch. sch). Die im Ägyptischen mit b, p, f, m, n, h, s, k, g und t transkribierten Phoneme entsprechen mehr oder minder den durch die Zeichen angegebenen Lauten des Deutschen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die angenommenen wirklichen Lautungen der übrigen geschriebenen Phoneme.


Transkription Anzunehmende wirkliche ägyptische Lautungen
in Kodierung des International Phonetic Alphabet;
Hörbeispiele: http://en.wikipedia.org/wiki/IPA_pulmonic_consonant_chart_with_audio
w /w/ (Halbkonsonant, wie in engl. way)
ï /iː/ oder /j/ → /iː/ später teilweise vielleicht eher /ɛ/
y /j/
j /ʔ/ (ein Kehlklick wie in The'ather vs. Lea) und/oder /j/ → später teilweise stumm
(im An- und Auslaut wohl fallweise bloß Hinweis auf das Vorhandensein eines Vokals)
/ʀ/ oder /r/ → später meist /j/ oder /ʔ/ → noch später meist stumm
r /ɺ/ oder /ɾ/(?) (/l/ oder /r/ mit einmaligem Zungenschlag?) → später teilweise /j/
/ħ/ (= h mit „Emphase“; etwas stärker gehaucht)
/ɣ/(?) (= etwa ch wie in Bach, aber gepresster; arab. Ghain)
/x/ oder /χ/(?) (= etwa ch wie in Bach)
z im Alten Reich noch /t͡s/ → später zu allermeist /s/
š vor dem Alten Reich noch /x/ wie ch in Bach → später zu allermeist /ç/ oder /ʃ/ (= sch)
q /kˀ/ (= k mit „Emphase“/Postglottalisierung)
vor dem Alten Reich /d/ → später größtenteils /ʕ/ (= gepresster Kehllaut: Ain)
d /tˀ/ (= /t/ plus „Emphase“/Postglottalisierung)
/c/ (= etwa tj) → später größtenteils /t/
/cˀ/ (= etwa tj plus „Emphase“/Postglottalisierung) → später teilweise /tˀ/


Literaturhinweise

Schenkel (⁵2012: Kap. 2.1); Kammerzell (2005); Kammerzell, in Hannig (1995: xxiii-lix); Schenkel (1990); Werning (2016)

Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).



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Daniel A. Werning. 24.4.2018. "§3", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A73%26oldid=141 (Zugriff: 25.11.2024).

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