§36

Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik

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Personalpronomina II: „Enklitische Personalpronomina“

(1) Formen

Eine zweite Reihe von Personalpronomina bilden die sog. „Enklitischen Personalpronomina“. Auch diese Pronomina lehnen sich in aller Regel an ein anderes Wort an (– daher „enklitisch“ von altgriech. ἐνκλίνειν [= enklínein] für ‘(sich) neigen’). Traditionell wird diese Form der Anhänglichkeit in der ägyptologischen Transkription aber nicht markiert.

Auch die enklitischen Personalpronomina flektieren nach Person, Numerus und Genus:

Person Numerus Genus Schreibungen Übersetzungen
1. Singular w(j) *) 𓅱𓀀 (Normalfall);
𓅱𓀻, 𓅱𓀭, 𓅱𓀯, … (z.B. auf Monumenten);
𓅱𓏤, 𓅱𓇋 (Sargtexte u.ä.)
‘ich, mich’
2. Mask. ṯw
(bzw. tw)
𓍿𓅱, 𓏏𓅱, 𓏏‌𓏲 (vgl. §17 (2)) ‘du, dich’
Fem. ṯn
(bzw. tn)
𓍿𓈖, 𓏏𓈖 (vgl. §17 (2))
3. Mask. sw 𓇓𓅱 (je nach Genus
im Deutschen:)
‘er, ihn’;
‘sie’;
‘es’
Fem.
(bzw. s(ï))
𓋴𓏭, 𓊃𓏭; Achtung, auch kurz: 𓋴, 𓊃
Kollektiv Fem. st 𓋴𓏏, 𓊃𓏏; später auch: 𓋴𓏏𓏦, 𓊃𓏏𓏦 ‘es’
1. Plural n 𓈖𓏥 ‘wir, uns’
2. ṯn
(bzw. tn)
𓍿𓈖𓏥, 𓏏𓈖𓏥 (vgl. §17 (2)), in best. Texten: 𓍿𓈖, 𓏏𓈖 ‘ihr, euch’
3. sn 𓋴‌𓈖𓏥, 𓊃𓈖𓏥, in best. Texten: 𓋴‌𓈖, 𓊃𓈖 ‘sie’

Die Pluralformen der enklitischen Personalpronomina sehen geschrieben genau so aus wie die entsprechenden Suffixpronomina.

*) In der seltenen Schreibung 𓅱𓇋 in der 1P.Sg. ist das 𓇋 wohl als Hinweis (mater lectionis) auf einen unbekannten vokalischen Auslaut nach dem 𓅱 /w/ zu verstehen (wohl */a/ oder */u/, dazu Werning 2016: Tab. 1). Als Vokal bleibt dieser im Altägyptischen auch in der Regel ungeschrieben. Vom phonetischen Teil wird nur 𓅱 w geschrieben. In den übrigen Schreibungen der 1P.Sg. versteht man 𓀀 und 𓏤 am besten als Grammato-Klassifikator für 1. Person Singular – sowohl für Männer als auch Frauen, Götter, Schlangen, u.a.m. und 𓀻, 𓀯, 𓀭 und Vergleichbare als spezifische Klassifikatoren für Ehrwürdiger (𓀻), König (𓀯), Gott (𓀭), usw. (vgl. Werning 2011, I: §§6, 68). Traditionell werden aber alle diese Schreibweisen als „wj“ transkribiert. Einige Forschende transkribieren neuerdings einfach „w“ (F. Kammerzell). Wie im Fall des „w“ im pluralischen „(w)t“ (vgl. ‎§24) wollen wir das „j“ aus Gründen der wissenschaftlichen Tradition vorerst weiter mit transkribieren, aber in Klammern: „w(j)“.

Die folgende Tabelle stellt die Suffixpronomina (§28) und die Enklitischen Personalpronomina einander gegenüber:

Suffixpronomina Enklitische Personalpronomina
1. Singular ⸗j 𓀀;
𓀻, 𓀭, 𓀯, …;
𓏤; 𓇋, 𓇋𓀀
𓅱𓀀 ;
𓅱𓀻, 𓅱𓀭, 𓅱𓀯, …;
𓅱𓏤, 𓅱𓇋
w(j)
2. Mask. ⸗k 𓎡 𓍿𓅱, 𓏏𓅱, 𓏏‌𓏲 ṯw (bzw. tw)
Fem. ⸗ṯ (⸗t) 𓍿; selten: 𓏏 𓍿𓈖, 𓏏𓈖 ṯn (bzw. tn)
3. Mask. ⸗f 𓆑 𓇓𓅱 sw
Fem. ⸗s 𓋴; 𓊃 𓋴𓏭, 𓊃𓏭; kurz: 𓋴, 𓊃 (bzw. s(ï))
Kollektivum Fem. 𓋴𓏏, 𓊃𓏏; später auch: 𓋴𓏏𓏦, 𓊃𓏏𓏦 st
Unpersönlich ⸗tw 𓏏𓅱, 𓏏‌𓏲
1. Plural ⸗n 𓈖𓏥 n
2. ⸗ṯn (⸗tn) 𓍿𓈖𓏥, 𓏏𓈖𓏥, in best. Texten: 𓍿𓈖, 𓏏𓈖 ṯn (bzw. tn)
3. ⸗sn 𓋴‌𓈖𓏥, 𓊃𓈖𓏥, in best. Texten: 𓋴‌𓈖, 𓊃𓈖 sn


Verwechslungsgefahr besteht insbesondere bei:

  • 𓏏𓅱 ⸗tw ‘man’ vs. ṯw ‘du, dein (Mask.)’ vs. Demonstrativum tw ‘diese (Fem.)’ (§30),
  • 𓏏𓈖 ⸗ṯn, ṯn ‘ihr, uns, euer’ vs. ṯn ‘du, dein (Fem.)’ vs. Demonstrativum tn ‘diese (hier) (Fem.)’ (§30),
  • 𓋴 ⸗s ‘sie, ihr’ vs. s(ï) ‘sie’.


(2) Verwendung

Die Enklitischen Personalpronomina kommen hauptsächlich vor:

  • als direktes Objekt im Verbalsatz (z.B. sḏm⸗k w(j) ‘Du sollst mich anhören.’),
  • als Subjekt nach bestimmten Satz-Partikeln (z.B. m⸗k w(j) sḏm⸗j ‘Siehe, ich höre.’ (s.u.),
  • als Subjekt im Adjektivalsatz (z.B. ꜥꜣ ṯwDu bist groß.’ – dazu §57.)

Die Enklitischen Suffixpronomina sind also je nach Konstruktion, in der sie auftauchen, im Deutschen als direktes Objekt (Akkusativ: „mich, dich, …“) oder als Subjekt (Nominativ: „ich, du, …“) zu übersetzen.


(3) Wahl durch vorausgehende Partikeln

Im Satzmuster [Partikel] [Subjekt] [Prädikat], z.B. im Verbalsatz mit vorangestelltem Subjekt (§35), richtet sich die Formreihe des Subjektspronomens allein nach der Art der Partikel. Nach bestimmten Partikeln, wie 𓇋𓅱 jw ‘(unübersetzt)’, 𓊢𓂝𓈖 ꜥḥꜥ.n ‘dann’ und 𓎡‌𓄿𓀁 kꜣ ‘so, dann (wird/soll/…)’, steht ein direkt folgendes Personalpronomen als Suffixpronomen, z.B. jw⸗s, ꜥḥꜥ.n⸗j. Nach den meisten anderen hingegen, wie z.B. nach 𓅓‌𓂝𓎡 m⸗k/m⸗ṯ/m⸗ṯn ‘siehe, seht’ und 𓇋𓋴𓍿 jsṯ ‘derweil, dabei’, steht ein direkt folgendes Personalpronomen als Enklitisches Personalpronomen: z.B. m⸗k , jsṯ ṯw.

Vergleiche:

[Partikel] [Subjekts-
pronomen]
[Imperfektiv] [Suffix-
pronomen]
[Objekt(e)]
jw ⸗j sḏm ⸗j jt(j)⸗n Ich höre unseren Vater.’
m⸗ṯn w(j) sḏm ⸗j jt(j)⸗n ‘Seht, ich höre unseren Vater.’

Literaturhinweise

Allen (²2010: Kap. 5.4); Schenkel (⁵2012: Kap. 5.1.2.2)

Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).


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Daniel A. Werning. 26.7.2018. "§36", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A736%26oldid=658 (Zugriff: 10.1.2024).

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