Rekursion: Unterschied zwischen den Versionen

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Rekursion vom lateinischen recurrere (zurücklaufen)bezeichnet einen Vorgang, beim dem bestimmt Anweisungen oder Schritte im Vorgang selbst erneut auf das Ergebnis des Vorgangs angewandt werden. Die mathematische Operation der Rekursion beruht auf dem wiederholten Wiederaufruf einer Funktion durch sich selbst. Hierdurch können potenziell endlose Schleifen entstehen.<ref>vgl. https://msdn.microsoft.com/de-de/library/z3dk2cc3(v=vs.100).aspx  (Stand 28.10.2017)</ref>
Rekursion vom lateinischen recurrere (zurücklaufen) bezeichnet einen Vorgang, beim dem bestimmte Anweisungen oder Schritte im Vorgang selbst erneut auf das Ergebnis des Vorgangs angewandt werden. Die mathematische Operation der Rekursion beruht auf dem wiederholten Wiederaufruf einer Funktion durch sich selbst. Hierdurch können potenziell endlose Schleifen entstehen.<ref>vgl. https://msdn.microsoft.com/de-de/library/z3dk2cc3(v=vs.100).aspx  (Stand 28.10.2017)</ref>
 


'''Medienwissenschaftliche Perspektive'''  
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In der Medienwissenschaft ist die Zeitfigur der Rekursion nicht nur wegen ihrer Anwendung als mathematische Figur für Programmiersprachen interessant. Auf der Suche nach einer Alternativen zu einer Geschichtsschreibung für Technik und Medien wird immer wieder die operative Zeitfigur der Rekursion angeführt. Gerade aufgrund seines epistemologischen und  historiographischen Potenzials erfreut sich der Rekursionsbegriff einer zunehmenden Beliebtheit. Nimmt man technische Medien und ihre [[Eigenzeit|Eigenzeitlichkeit]] ernst, so kann eine Modell der Medienhistorie nicht länger als Erklärmodell herangezogen werden. Mit einem rekursiven Rückgriff auf die vielschichtigen Ordnungen des Wissens, bei denen vergessene oder übersehene Zusammenhänge aufgedeckt werden, endet die zäsurbetonte Geschichtsschreibung und die Fortschrittsgeschichte. Eine solche Historiographie orientiert sich nicht an sich gegenseitig ablösenden historischen Wissenschaftsparadigmen, sondern macht ein wesentlich komplexeren Modus des Hinzutretens von alten und neuen technischen Wissens beschreibbar, welches auch durch die Gesetzte der Physik und Mathematik immer wieder versucht sich selbst aufzurufen und in materiell implizierten Wissen zur Verfügung steht. So benutzt unter anderem Friedrich Kittler den bis dahin programmtechnisch geprägten Begriff der Rekursion um die Wiedereinkehr der altgriechischen Notation für Phoenetisches, Mathematisches und Musikalisches als Vokalalphabet in den alphanumerischen Computer zu beschreiben. Nach dem scheibaren Medienumbruch der Signalverabeiteten Medien mit den Aufschreibesystemen 1900, kehrt mit dem alphanumerischen Code und dem Computer als symbolverarbeitende Maschine die Kulturtechnik der Schrift wieder zurück. Ein weiteres Beispiel für die wiederholte Wiederkehr vormaligen Wissens ist die codierte Kommunikation der Telegraphie, die auf technischer und epistomologischer duch ihre diskrete Informationsübertragung der zeitgenössischen Mobilkommunikation näher steht als der analogen Telefonie. Um mit solchen Diskontinuitäten im Sinne der Medienarchälogie zu arbeiten, ist der Rekursionsbegriff nützlich und kann mit einem medienerweiterten [[Archiv|Archivbegriff]] fruchtbar gemacht werden.
In der Medienwissenschaft ist die Zeitfigur der Rekursion nicht nur wegen ihrer Anwendung als mathematische Figur für Programmiersprachen interessant. Auf der Suche nach einer Alternativen zu einer Geschichtsschreibung für Technik und Medien wird immer wieder die operative Zeitfigur der Rekursion angeführt. Gerade aufgrund seines epistemologischen und  historiographischen Potenzials erfreut sich der Rekursionsbegriff einer zunehmenden Beliebtheit. Nimmt man technische Medien und ihre [[Eigenzeit|Eigenzeitlichkeit]] ernst, so kann ein Modell der Medienhistorie nicht länger als Erklärmodell herangezogen werden. Mit einem rekursiven Rückgriff auf die vielschichtigen Ordnungen des Wissens, bei denen vergessene oder übersehene Zusammenhänge aufgedeckt werden, endet die zäsurbetonte Geschichtsschreibung und die Fortschrittsgeschichte. Eine solche Historiographie orientiert sich nicht an sich gegenseitig ablösenden historischen Wissenschaftsparadigmen, sondern macht ein wesentlich komplexeren Modus des Hinzutretens von alten und neuen technischen Wissens beschreibbar, welches auch durch die Gesetzte der Physik und Mathematik immer wieder versucht sich selbst aufzurufen und in materiell implizierten Wissen zur Verfügung steht.  
 
So benutzt unter anderem Friedrich Kittler den bis dahin programmtechnisch geprägten Begriff der Rekursion um die Wiedereinkehr der altgriechischen Notation für Phoenetisches, Mathematisches und Musikalisches als Vokalalphabet in den alphanumerischen Computer zu beschreiben. Nach dem scheinbaren Medienumbruch der signalverabeiteten Medien mit den Aufschreibesystemen um 1900 kehrt mit dem alphanumerischen Code und dem Computer als symbolverarbeitende Maschine die Kulturtechnik der Schrift wieder zurück. Ein weiteres Beispiel für die wiederholte Wiederkehr vormaligen Wissens ist die codierte Kommunikation der [[Bildtelegraph|Telegraphie]], die auf technischer und epistemologischer Ebene durch ihre diskrete Informationsübertragung der zeitgenössischen Mobilkommunikation näher steht als der analogen Telefonie. Um mit solchen Diskontinuitäten im Sinne der Medienarchälogie zu arbeiten, ist der Rekursionsbegriff nützlich und kann mit einem medienerweiterten [[Archiv|Archivbegriff]] fruchtbar gemacht werden.
 


'''Artefakte'''
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rekursiv arbeitende Computerprogramme


'''Weiterführendes'''
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Ana  Ofak,  Philipp  von  Hilgers  (Hg.), Rekursionen.  Von  Faltungen  des  Wissens
Ana  Ofak,  Philipp  von  Hilgers  (Hg.), Rekursionen.  Von  Faltungen  des  Wissens.  München (Fink) 2010.  
.  München (Fink) 2010.  


Friedrich Kittler: Grammophon Film Typewriter.- Berlin: Brinkmann &. Bose 1986 (online unter: archiv.ub.uni-marburg.de/ep/0002/article/download/6361/6202 )
Friedrich Kittler: Grammophon Film Typewriter.- Berlin: Brinkmann &. Bose 1986 (online unter: archiv.ub.uni-marburg.de/ep/0002/article/download/6361/6202 )


'''Textverweise'''
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Version vom 31. Oktober 2017, 17:45 Uhr

Begriff


Rekursion vom lateinischen recurrere (zurücklaufen) bezeichnet einen Vorgang, beim dem bestimmte Anweisungen oder Schritte im Vorgang selbst erneut auf das Ergebnis des Vorgangs angewandt werden. Die mathematische Operation der Rekursion beruht auf dem wiederholten Wiederaufruf einer Funktion durch sich selbst. Hierdurch können potenziell endlose Schleifen entstehen.[1]


Medienwissenschaftliche Perspektive


In der Medienwissenschaft ist die Zeitfigur der Rekursion nicht nur wegen ihrer Anwendung als mathematische Figur für Programmiersprachen interessant. Auf der Suche nach einer Alternativen zu einer Geschichtsschreibung für Technik und Medien wird immer wieder die operative Zeitfigur der Rekursion angeführt. Gerade aufgrund seines epistemologischen und historiographischen Potenzials erfreut sich der Rekursionsbegriff einer zunehmenden Beliebtheit. Nimmt man technische Medien und ihre Eigenzeitlichkeit ernst, so kann ein Modell der Medienhistorie nicht länger als Erklärmodell herangezogen werden. Mit einem rekursiven Rückgriff auf die vielschichtigen Ordnungen des Wissens, bei denen vergessene oder übersehene Zusammenhänge aufgedeckt werden, endet die zäsurbetonte Geschichtsschreibung und die Fortschrittsgeschichte. Eine solche Historiographie orientiert sich nicht an sich gegenseitig ablösenden historischen Wissenschaftsparadigmen, sondern macht ein wesentlich komplexeren Modus des Hinzutretens von alten und neuen technischen Wissens beschreibbar, welches auch durch die Gesetzte der Physik und Mathematik immer wieder versucht sich selbst aufzurufen und in materiell implizierten Wissen zur Verfügung steht.

So benutzt unter anderem Friedrich Kittler den bis dahin programmtechnisch geprägten Begriff der Rekursion um die Wiedereinkehr der altgriechischen Notation für Phoenetisches, Mathematisches und Musikalisches als Vokalalphabet in den alphanumerischen Computer zu beschreiben. Nach dem scheinbaren Medienumbruch der signalverabeiteten Medien mit den Aufschreibesystemen um 1900 kehrt mit dem alphanumerischen Code und dem Computer als symbolverarbeitende Maschine die Kulturtechnik der Schrift wieder zurück. Ein weiteres Beispiel für die wiederholte Wiederkehr vormaligen Wissens ist die codierte Kommunikation der Telegraphie, die auf technischer und epistemologischer Ebene durch ihre diskrete Informationsübertragung der zeitgenössischen Mobilkommunikation näher steht als der analogen Telefonie. Um mit solchen Diskontinuitäten im Sinne der Medienarchälogie zu arbeiten, ist der Rekursionsbegriff nützlich und kann mit einem medienerweiterten Archivbegriff fruchtbar gemacht werden.


Artefakte


rekursiv arbeitende Computerprogramme


Weiterführendes


Ana Ofak, Philipp von Hilgers (Hg.), Rekursionen. Von Faltungen des Wissens. München (Fink) 2010.

Friedrich Kittler: Grammophon Film Typewriter.- Berlin: Brinkmann &. Bose 1986 (online unter: archiv.ub.uni-marburg.de/ep/0002/article/download/6361/6202 )


Textverweise