Campus Artium

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campus artium - ein Netzwerk zur Erfassung der ausländischen Künstler, Intellektuellen und Kulturfunktionäre in Rom

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Selbstbildnis Wilhelm Schadows mit dem Bruder Ridolfo und Bertel Thorvaldsen, um 1816, Berlin, Nationalgalerie (CC BY ND)
Campus Artium. Eine spatiotemporale Datenplattform als Basis für interdisziplinäre Forschungsfelder und Projekte (Graphik: Georg Schelbert, CC BY)

Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf bis zu mehrere Hundert Personen angewachsene Gruppe deutscher Künstler, Schriftsteller und Forscher war Teil eines internationalen Kosmos, dessen Interdependenzen aufgrund vorwiegend nationaler Forschungsinteressen und der daraus resultierenden Beschränkungen in der Erschließung, Analyse und Darstellung des vorhandenen Quellenmaterials bislang nur unzureichend untersucht sind.

Schon seit dem 16. Jahrhundert wohnten fremde Künstler - dazu gehörten auch diejenigen aus anderen Städten Italiens - bevorzugt im nördlich gelegenen Campus Martius. Das Feld des Mars wurde sozusagen zum Feld der Künste: campus artium. Das im Folgenden skizzierte Vorhaben kann prinzipiell auf beliebige Zeiträume ausgedehnt werden. Potentiell wäre auch eine Übertragung auf andere Städte - etwa Paris - denkbar bzw. ist im Datenmodell ohnehin enthalten. Auf diese Weise könnten auch Wanderungsbewegungen dokumentiert werden.

Das Phänomen der kontinuierlichen, sich aus allen europäischen Gegenden speisenden, temporären oder dauerhaften Zuwanderung von Künstlern (aber auch Diplomaten, Intellektuellen, Handeltreibenden, deren Tätigkeit aus der Perspektive der Kunst relevant ist), muss unter Fragestellungen der Kulturrezeption, des Kulturaustauschs und der Identitätskonstitution und –bildung betrachtet werden. Im Fall von Rom besitzen diese Phänomene durch die Jahrhunderte hindurch eine europäische Dimension. Hierzu ist noch umfangreiche Forschung zu leisten, die einen möglichst umfassenden, verschiedenene Fragestellungen erlaubenden Zugriff auf das kulturhistorische Primärmaterial – seien es Artefakte oder Dokumente – voraussetzt.

Die bereits bei verschiedenen Gelegenheiten sowie hier zusammenfassend vorgetragene Projektidee campus artium geht davon aus, dass die Dimension der Räumlichkeit eine verbindene Grundlage für verschiedenste methodologische Zugriffe bietet. Die erst mit den modernen digitalen Dokumentationsmethoden in ihrer raumzeitlichen Komplexität darstellbare Topographie der Stadt Rom (vgl. Projekte Cipro, ZUCCARO) kann das primäre Grundgerüst bilden, um das teils weit verstreute Quellenmaterial sowie die bisherigen und zukünftigen Forschungsergebnisse besser zugänglich und handhabbar zu machen. Zugleich können auf dieser Basis neue, beispielsweise quantitative Fragestellungen entwickelt werden. Zur Umsetzung einer entsprechend nutzbaren Plattform sind noch erhebliche konzeptionelle, organsiatorische und technische Arbeiten zu leisten.


campus artium - Europa in Rom: Rom als europäisches Interaktionsfeld für Künstler, Auftraggeber und Agenten vom 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

Campus artium - Europe in Rome: Rome as the European field of encounter of artists, patrons and agents from the 16th to the end of the 19th century


Ein derartiges Konzept ist ausdrücklich in die Breite gerichtet. Es versteht sich vor allem als Plattform und zielt nicht auf abgeschlossene Publikationen von Teilbereichen, kann und soll aber Grundlage für solche sein. Ein deartiges Konzept kann ausschließlich kollaborativ - idealerweise international und interdisziplinär - verwirklicht werden und erfordert einen organisatorischen Rahmen von europäischem Maßstab. Die Projektidee schließt an ähnliche Projekte auf dem Gebiet der Romforschung und der allgemeinen Kunstgeschichte an (eine Aufzählung, insbesondere der kunsthistorischen Forschungen zu einzelnen Künstlern und Künstlergruppen ist hier nicht möglich, exemplarisch genannt seien so unterschiedliche Initiativen wie das soziologische Projekt Kunstsakralisierung und Gemeinsinn im Dresdener SFB 804, geleitet von K.S. Rehberg, das italienische ForscherInnennetzwerk zur Künstlerkorrespondenz im 18. und 19. Jahrhundert (Artikel), die Datenbank zu niederländischen Künstlern in Rom hadrianus, das Thorvaldsen Archiv, zentrale Künstlerdatenbanken wie SIKART für die Schweiz und RKDexplore für die Niederlande, aber auch Teilbereiche der datenbankgestützten Forschungsprojekte ArsRoma und Lineamenta an der Bibliotheca Hertziana (bis 2018, geleitet von S. Ebert-Schifferer bzw. E. Kieven).

Zentrale Voraussetzung für die Umsetzung eines derartigen Konzepts ist das Vorhandensein einer geeigneten Infrastruktur zu Speicherung, Analyse und Veröffentlichung von Daten. Mit dem an der Bibliotheca Hertziana entwickelten Datenbanksystem ZUCCARO ist eine solche Grundlage im Prinzip vorhanden, jedoch immer noch in einem technisch und organisatorisch vorläufigen Stadium. Seit ca. 2008 wird das Datenmodell auch dazu verwendet, Daten zu Künstlerreisen und Künstleraufenthalten zu sammeln (s.u. Beispielabfragen). Die Struktur der Datenbank ZUCCARO bietet ideale Voraussetzungen, die räumliche Verteilung, die persönlichen Beziehungen und die Geschichte der Werke der in Rom tätigen Künstler sowie deren soziales Umfeld zu dokumentieren. Bei entsprechender Datenmenge lassen sich auch soziokulturelle und sozioökonomische Strukturen und Entwicklungstendenzen ablesen.

Zusammenfassend gesagt, zielt die Projektidee campus artium darauf, das umfangreiche, zugleich aber modellhaft abgeschlossene Soziotop der Kunstszene der Stadt Rom in der Neuzeit flächendeckend zu erfassen. In Ergänzung zu den vielen Einzelstudien können damit drei Ziele erreicht werden: Erstens kann eine systematische Dokumentation als verbesserte und übersichtliche Zugangsform zu den Original- und Quellenmaterialien dienen, die durch Verstreutheit oft auch dann noch schwer auffindbar sind, wenn sie bereits online zugänglich sind. Zweitens werden - auch auf quantitativer Grundlage - übergreifende Entwicklungen und Tendenzen sichtbar, die die bisherige Forschung ergänzen. Damit könnten - drittens - nicht zuletzt disziplinäre und nationale Beschränkungen in der Forschungspraxis hinterfragt und überwunden werden.

Georg Schelbert 2016

Anhang

Beispielabfragen aus der Datenbank ZUCCARO

Die von Martin Raspe und Georg Schelbert an der Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom entwickelte Datenbank ZUCCARO stellt eine mögliche konzeptuelle und technische Plattform für das skizzierte Vorhaben dar. Allerdings besteht noch technischer Entwicklungsbedarf. Die hier aufgelisteten Abfragen zeigen Ausschnitte der bereits vorhandenen Datenbestände, neben den Listenformen wären auch Netzvisualisierungen, Karten andere Darstellungsformen umsetzbar. Es handelt sich um Beispiele mit noch lückenhaften Daten. Prinzipiell sind unbegrenzt viele Variationen dieser Anfragen möglich.

Beispielabfrage (Screenshot): Geburtsorte von Personen aus der Kartei von Friedrich Noack ("Schede Noack"), die in der ZUCCARO-Datenbank erfasst sind
Netzwerk der Künstler in Rom (Ausschnitt, Daten aus der ZUCCARO-Datenbank, Stand 12.2017) (Auswertung und Graphik Maximilian Schich 2018)

Gespeicherte Abfragen als pdf

(schneller Download, jedoch statischer Datenstand, u.U. bereits veraltet, Zeitpunkt der Abfrage jeweils wie auf Ausdruck angegeben)

Live-Abfragen

(ggf. lange Ladezeiten oder Funktionsausfälle zu erwarten; die Abfragen aktualisieren sich mit dem Datenstand in ZUCCARO fortlaufend; falls keine Seite geladen wird, bitte die als pdf gespeicherten Beispiele ansehen)

Orte, Bauten, Stadtraum
  • Häuser in den Rioni Campo Marzio und Colonna, in denen Künstler wohnten (Abfrage in Zuccaro; Sortierung von NW nach SO, Funktionsweise der Abfrage: Suche nach allen Häusern, die Profanbauten [also keine Kirchen] sind, mit denen Personen, die Künstler sind, in Beziehung stehen, ohne jedoch deren Architekten zu sein. Da die Quellengrundlage, auf der die Daten in der Datenbank beruhen, in der Regel Rechnungdokumente etc. sind, ist bislang selten verzeichnet, dass eine Person Bewohner oder Besitzer eines Gebäudes ist. Hierzu müssen noch die Stati delle Anime ausgewertet werden)
Personen

Aufenthalt in Rom:

allgemeiner:

spezieller:

In Rom gestorben:

Institutionen, Verbände:

Herkunftsorte:

Werke und ihre Gegenstände

Nutzung des Datenbestands in anderen Umgebungen

Darstellung (Screenshot) der Wohnorte und -zeiten von Künstlern in Rom im Dariah.de Geobrowser (exemplarische Datenauswahl)

Darstellung der Wohnorte und -zeiten von Künstlern in Rom im Dariah.de Geobrowser (Screenshot, Stand 2013)

Online-Ressourcen im Kontext

  • Schede Noack (Aufzeichnungen Friedrich Noacks zu deutschen Künstlern in Rom, Online-Erschließung J. Kliemann, M. Raspe, N. Grillitsch)

Vorträge zum Thema

  • Georg Schelbert, "Cities, Culture, and Computing", Dartmouth College, Dartmouth-German Harris professorship talk, 19.9.2016
  • Georg Schelbert, "Personal Networks and Biographical Data between Edition of Text Documents and Modeling of Historic Events", Tagung: Corrispondenze d'artista: Roma e l'Europa (XVIII-XIX secolo)/ Artistic Correspondences, Rom, Svenska Institutet i Rom/Koninklijk Nederlands Instituut Rome (15.-16. 6. 2015), 16.6.2015
  • Georg Schelbert, "The four-dimensional digital city between idea and realisation Experiences from the projects Cipro e Orbis Urbis", Tagung: ROME Old Maps and Topography of a Big City, Czech Academy of Sciences, Prag, 6.5.2015
  • Georg Schelbert, "Ort, Weg, Blick. Zu den Bewegungsräumen fremder Künstler in Rom um 1800 und ihren Quellen", Tagung: Romkünstler im Ottocento, Konstellationsanalysen ästhetischer Praxis, Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte (5.-7.12.2013), 6.12.2013
  • Martin Raspe/ Georg Schelbert, "Orbis Urbis Navigating through Rome in space and time", ITALIA ILLUSTRATA constructing a geo-spatial archive of the pre-modern italian city, Kunsthistorisches Institut in Florenz - Max-Planck-Institut, Florenz, 17. Juni 2013

Literatur

Künstler, Intellektuelle und Agenten in Rom

Digial Humanities, Datenbanken, Geomapping, Netzwerkanalyse

(coming soon)

Kontakt

Dr. Georg Schelbert (Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin)