§57
Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik
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Adjektive als Prädikat: der „Adjektivalsatz“
(1) Auch im Ägyptischen können Adjektive als Satzprädikat fungieren. Anders als im Deutschen, ist im Ägyptischen – wie in anderen Sprachen der Welt – kein Hilfsverb ‘sein’ nötig. Prädikat (Adjektiv) und Subjekt (Nominalphrase) und werden einfach direkt hintereinander gestellt, und zwar in dieser Reihenfolge: Adjektivprädikat—Subjekt. Das Adjektiv erscheint immer in der morphologisch unmarkierten Form (Singular Maskulinum).
Die Zeitlage der prädikativen Qualitätsaussage ergibt sich theoretisch zwar allein aus dem Kontext. In den meisten Fällen ist aber Präsens zu übersetzen, da für andere Zeiten oder modale Aussagen andere Konstruktionen genutzt werden.
Prädikat
(ohne Kongruenz)Subjekt 𓄤𓆑𓂋 𓊹𓂋𓏏 nfr nṯr.t ‘Die Göttin ist vollkommen.’ 𓄤𓆑𓂋 𓊹𓊹𓊹 nfr nṯr.(w) ‘Die Götter sind vollkommen.’ 𓄤𓆑𓂋 𓊹𓏤 nfr nṯr ‘Der Gott ist vollkommen.’
Ein pronominales Subjekt erscheint in Form eines Enklitischen Personalpronomens (§36), z.B.:
Prädikat
(ohne Kongruenz)Subjekt 𓄤𓆑𓂋 𓅱𓀀 nfr w(j) ‘Ich bin vollkommen.’ 𓄤𓆑𓂋 𓍿𓈖 nfr ṯn ‘Du bist vollkommen.’ 𓄤𓆑𓂋 𓇓𓅱 nfr sw ‘Er ist vollkommen.’ 𓄤𓆑𓂋 𓋴 nfr s(ï) (!) ‘Sie ist vollkommen.’ 𓄤𓆑𓂋 𓍿𓈖𓏥 nfr ṯn ‘Ihr seid vollkommen.’
(2) Vor dem Adjektivalsatz steht im Regelfall keine Satzpartikel (wie etwa jw oder m⸗k). Allerdings kann nach dem Adjektiv optional ein enklitisches Morphem 𓅱𓏭 wï stehen, das wir (behelfsweise) mit ‘O, wie …!’ übersetzen:
Prädikat Subjekt 𓄤𓆑𓂋 𓅱𓏭 𓊹𓏤 nfr-wï nṯr ‘O, wie vollkommen ist der Gott!’ 𓄤𓆑𓂋 𓅱𓏭 𓍿𓈖 nfr-wï ṯn ‘O, wie vollkommen bist du!’
Man beachte, dass dieses wï von der gleich geschriebenen Dual-Endung .wï funktional völlig verschieden ist.
(3) Man beachte, dass sich Substantiv+Adjektivattribut und Adjektivalsatz auf vier Weisen unterscheiden:
Adjektiv als Attribut Adjektiv als Prädikat Beispiel nṯr.t ꜥꜣ.t ‘… die große Göttin …’ ꜥꜣ nṯr.t ‘Die Göttin ist groß.’ Reihenfolge Adjektiv nach Substantiv Adjektiv vor Substantiv Kongruenz Adjektivendung = Substantivendung immer ohne Adjektivendung Satz-Status kein Satz vollständiger Satz Nomen-Typ Beziehungswort immer Substantiv Subjekt: Substantiv oder
Enklitisches Personalpronomen
(4) Einen Sonderfall stellt die Satzkonstruktion 𓂜𓈖 + [Subjekt] dar, z.B.:
𓂜𓈖 𓌴𓐙𓂝𓏏𓏛 nn mꜣꜥ.t ‘Es gibt keine Gerechtigkeit.’
Hier wird üblicherweise nn nicht als einfache Negation, sondern als Adjektiv(!) nn ‘nicht existent’ analysiert. Die ganze Konstruktion wird dann als Adjektivalsatz verstanden. Für die Übersetzung ist aber eine umformulierte Übersetzung zu wählen, die der deutschen Ausdrucksweise entspricht, z.B.:
𓂜𓈖 𓌴𓐙𓂝𓏏𓏛 nn mꜣꜥ.t (wörtl. etwa ‘Nicht-existent ist/war Gerechtigkeit’)
→ ‘Es gibt/gab keine Gerechtigkeit.’𓂜𓈖 𓄟𓋴𓏲𓀔𓀀𓁐𓏥𓆑 nn ms.w⸗f (wörtl. etwa ‘Nicht-existent sind/waren seine Kinder’)
→ ‘Er hat/hatte keine Kinder.’
Mit diesem Nicht-Existenz-Satz vergleiche auch die Liste von „Existenzsätzen“ in §52.
Literaturhinweise
Allen (²2010: Kap. 7.1–3, 11.4); Schenkel (⁵2012: Kap. 6.2.0–2, 5.1.1.5)
Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).
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Daniel A. Werning. 19.6.2018. "§57", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A757%26oldid=291 (Zugriff: 22.11.2024).
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