§63

Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik

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Gebrauch des Nominalsatzes

Die verschiedenen Nominalsatzmuster werden jeweils für ganz bestimmte Arten von Aussagen genutzt. Zunächst ist entscheidend, ob es sich bei den beteiligten Subjekten und Prädikatsnomen jeweils um Substantive oder um Personalpronomina handelt.


(1) Nominalsatz mit einem Personalpronomen

Nominalsätze mit einem Personalpronomen sind in aller Regel Zweigliedrige Nominalsätze. Das Personalpronomen steht immer an erster Satzposition.

Einen besonderen Fall bilden solche Nominalsätze, deren Subjekt ein Pronomen der 3. Person ist (‘er, sie, es’; Plural: ‘sie’). Der entsprechende Satz mit den Selbständigen Personalpronomina ntf, nts bzw. ntsn wurde nur benutzt, wenn das Pronomen die neue, gewissermaßen „betonte“ Information (sprachwissenschaftlich: das sog. Rhema) bildet:

𓈖𓏏𓆑 𓐍𓆑𓏏𓏭𓀐
ntf ḫftï
‘Der Feind ist er’ (entsprechende Frage: „Wer ist der Feind?“).


Bei „normalem“, unmarkierten Subjekten in der 3. Person wurde stattdessen ersatzweise ein pw-Satz (§62 (2), b) verwendet:

𓐍𓆑𓏏𓏭𓀐 𓊪𓅱
ḫftï pw
Das/Es/Er ist ein Feind’ (entsprechende Frage: „Wer ist das/er?“).


Effektiv ergibt sich folgende pragmatische Verteilung:

Personalpronomen ist
„unbetont“ (Thema)
Personalpronomen ist
„betont“ (Rhema)
1sg jnk ḫftï ‘Ich bin ein Feind.’ jnk ḫftï ‘Der Feind bin ich.’
2sg.m ntk ḫftï ‘Du bist ein Feind.’ ntk ḫftï ‘Der Feind bist du.’
2sg.f ntṯ ḫftï.t ‘Du bist eine Feindin.’ ntṯ ḫftï.t ‘Die Feindin bist du.’
3sg.m ḫftï pw Es/Das/Er ist ein Feind.’ ntf ḫftï ‘Der Feind ist er.’
3sg.f ḫftï.t pw Es/Das/Sie ist eine Feindin.’ nts ḫftï.t ‘Die Feindin ist sie.’
1pl jnn ḫftï.w ‘Wir sind Feinde.’ jnn ḫftï.w ‘Die Feinde sind wir.’
2pl ntṯn ḫftï.w ‘Ihr seid Feinde.’ ntṯn ḫftï.w ‘Die Feinde seid ihr.’
3pl ḫftï.w pw Es/das/sie sind Feinde.’ ntsn ḫftï.w ‘Die Feinde sind sie.’


(2) Nominalsatz mit zwei Substantiven als Kern

Zwei Substantive können nur in ganz bestimmten Fällen einfach direkt (ohne pw) nebeneinander stehen. Diese Sonderfälle sind:

a) Die substantivischen Kerne von Subjekt und Prädikatsnomen sind identisch, z.B.:

𓅓‌𓂝𓎡𓏏𓏛𓏏𓅓‌𓂝𓎡𓏏𓏛𓂋𓂝𓇳𓀭 (Allen 2010: 74)
mk.t⸗ṯ mk.t-Rꜥ(w)
‘Dein Schutz ist der Schutz des Re’.


In diesen Fällen spricht man von einem „Wechselsatz“.


b) Einer der substantivischen Kerne ist eine Verwandtschaftsangabe oder das Wort rn ‘Name’:

𓅐𓏏𓀀𓊨𓏏
mʾw.t⸗j (ꜣ)s.t
Meine Mutter ist Isis’,


𓊽𓊽𓇋𓏛𓀀 𓂋𓈖‌𓆑 (Schenkel 2012: 150)
Ḏdj rn⸗f
Djedi war sein Name’,


𓂋𓈖‌𓈖‌𓏏𓆑𓋴𓇋𓇋𓅱𓇋𓄿𓀀 (Allen 2010: 73)
rn n(ï) jt(j)⸗s Ywjꜣ
‘Der Name ihres Vaters war Yuja’.


c) Der Nominalsatz fungiert als Name, z.B.:

𓍹𓇳𓁦𓎟𓍺
nb-mꜣꜥ.t Rꜥ(w)
‘Re ist der Herr der Maat’ (Thronname Amenophis’ III. und Ramses’ VI.)


In diesen Fällen spricht man von einem „Satznamen“.


In anderen Fällen mit zwei Substantiven wurde in der Regel der Dreigliedrige Nominalsatz genutzt.


(3) Nominalsatz mit substantiviertem Adjektiv

Im Nominalsatz werden auch gern substantivierte Adjektive (§56) benutzt, insbesondere als Prädikatsnomen, z.B.:

𓏌𓎡𓉻𓂝𓏜𓅓𓊖𓏏𓏤𓀀
jnk ꜥꜣ m nʾ.t⸗j
‘Ich war ein Großer in meiner Stadt’.


In der Tat bevorzugte es der Ägypter offenbar in der 1. Person sogar, statt eines Adjektivalsatzes

𓇋𓈎𓂋𓏜 𓅱𓀻
jqrAdj w(j)
‘Ich war geschickt’ (Adjektivalsatz)

einen in etwa bedeutungsgleichen Nominalsatz zu nutzen:

𓏌𓎡𓀻 𓇋𓈎𓂋𓏜
jnk jqrSubst
‘Ich war ein Geschickter’ (Nominalsatz)


In einer angemessenen deutschen Übersetzung wird man fallweise aber auch so einen Satz jnk + [substantiviertes Adjektiv] einfach als ‘Ich war geschickt’ übersetzen, obwohl er im Ägyptischen ein Nominalsatz ist.


(4) Verteilung von Thema und Rhema

(Dieser Abschnitt kann ggf. zunächst übergangen werden.)

Man kann sich fragen, welcher der zwei Hauptteile im Nominalsatz die Kerninformation ist (Rhema, „Prädikat“) und was die bekannte Information ist (Thema, „Subjekt“). So kann der dtsch. Satz

Er ist der Herr des Himmels

je nach (in der Schrift nicht sichtbarer) Betonung

‘Er ist der Herr des Himmels(Rhema)’ (Antwort auf die Frage: „Wer ist er?“)

oder

Er(Rhema) ist der Herr des Himmels’ (Antwort auf: „Wer ist der Herr des Himmels?“)

bedeuten.


Hierzu gibt es drei wichtige Beobachtungen:

a) Im pw-Satz ist das Substantiv immer Rhema und pw verweist auf das Thema ‘das, es, er/sie’ (siehe oben), z.B.:

nb-p.t pw
‘Das/Es/Er ist der Herr des Himmels(Rhema).’


nb.(w)t-p.t pw
‘Das/Es/Sie sind die Herrinnen des Himmels(Rhema).’

Umgekehrt sind im zweigliedrigen Nominalsatz mit einem Personalpronomen der 3. Person die Personalpronomen ntf/nts/ntsn immer Rhema, z.B.:

ntf nb-p.t
Er(Rhema) ist der Herr des Himmels.’
oder besser umgestellt:
‘Der Herr des Himmels ist er(Rhema).’


b) In Nominalsätzen mit Personalpronomina steht das Pronomen fast immer an erster Stelle. Bezüglich der Verteilung von Thema und Rhema sind in der 1. und 2. Person beide Interpretationen möglich, z.B.:

jnk nb-p.t
‘Ich bin der Herr des Himmels(Rhema).’
Ich(Rhema) bin der Herr des Himmels.’
oder besser umgestellt:
‘Der Herr des Himmels bin ich(Rhema).’


c) Wie im pw-Satz, so ist auch im dreigliedrigen Nominalsatz die NP vor pw in der Regel Rhema, z.B.:

nb-p.t pw Rꜥ(w)
‘Re ist der Herr des Himmels(Rhema).’


Rꜥ(w) pw nb-p.t
‘Der Herr des Himmels ist Re(Rhema).’

Es scheint hier aber auch Fälle geben, in denen das Verhältnis umgekehrt ist.

Literaturhinweise

Allen (²2010: ch. 7.12, 7.14); Schenkel (⁵2012: Kap. 6.1.1, 6.1.3); Loprieno (1995: ch. 5.2);
vgl. auch: L. Stassen, Zero Copula for Predicate Nominals, 2013, http://wals.info/chapter/120

Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).


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Daniel A. Werning. 26.7.2018. "§63", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A763%26oldid=685 (Zugriff: 10.1.2024).

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