§45

Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik

Version vom 7. Mai 2021, 10:52 Uhr von Werningd (Diskussion | Beiträge) (→‎Anterior im performativen Gebrauch: der Sonderfall {{U|ḏ(j).n(⸗j) n⸗k …}}: Suffix (=j) in selbe Zelle wie d(j).n)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche
← zurück §44 weiter §46 →

Performative Sprachakte

Sprachen behandeln Kommunikationsakte teils besonders, in denen gerade eben durch die Aussprache eines Satzes neue Fakten geschaffen werden, z.B. im Deutschen Hiermit erkläre ich die Sitzung für eröffnet oder Hiermit entlasse ich dich in die Freiheit. Der Sprachakt wird als ‘performativ’ angesprochen. Der Sprachakt kann auch eine performative Handlung begleiten: „Mit dem Durchschneiden des Bandes eröffne ich das neue Schwimmbad“. Im Deutschen werden performative Sprachakte gern mit „hiermit“ + Verb im Präsens versprachlicht. Dass im Deutschen hier Präsens benutzt wird, zeigt, dass ein performativer Akt so verstanden wird, dass die Schaffung neuer Fakten sich gleichzeitig mit dem Sprachakt vollzieht.

Anterior im performativen Gebrauch: der Sonderfall ḏ(j).n(⸗j) n⸗k …

(1) Im Ägyptischen wird für performative Sprachakte der Anterior genutzt. Dass im Ägyptischen hier der Anterior benutzt wird, zeigt, dass ein performativer Akt im Ägyptischen so verstanden wird, dass die Schaffung neuer Fakten sich erst (gleichzeitig) mit dem Abschluss des Sprachaktes vollzieht. Eine weitere Besonderheit des performativ gebrauchten Anteriors ist es, dass er in diesem Gebrauch ausnahmsweise direkt am Satzanfang steht. Gemäß dem abweichenden üblichen Gebrauch im Deutschen sollte man den Anterior im performativen Gebrauch mit „hiermit“ + Präsens übersetzen.

Die folgende performative Formel ist eine sehr beliebte „Dekoration“, die so, oder so ähnlich, auf vielen ägyptischen Monumenten zu sehen ist. Das Suffixpronomen der 1sg wird – wohl nach altägyptischem Schreibgebrauch – in ḏ(j).n(⸗j) n⸗… in der Regel nicht geschrieben. Es wird aber in Klammern mit transkribiert.

𓂞𓈖 𓈖𓎡 𓋹 𓊽 𓌀 𓎟
ḏ(j).n(⸗j) n⸗k ꜥnḫ ḏd wꜣs nb
ø geben:ant=1sg für=2sg.m Leben:m.sg Dauer:m.sg Heil:m.sg jeglicher:m.sg
(wörtliche Übersetzung: ‘Ich habe dir alles Leben, Dauer und Heil gegeben.’)
(angemessene deutsche Übertragung:) ‘Hiermit gebe ich dir alles Leben, Dauer und Heil.’


(2) Solche wörtlichen Reden werden auf Monumenten zudem gern mit folgender Formel eingeleitet (zum Infinitiv später, §92):

Redender, z.B.
𓌃𓆓 𓇋𓈖 𓇋𓏠𓈖𓇳𓏤 (es folgt die wörtliche Rede)
ḏ(d)-md(w.w) jn Jmn(.w)-Rꜥ(w)
sagen:inf–Worte:m.pl seitens Amun:m.sg-Re:m.sg
(wörtlich: ‘Sagen von Worten seitens Amun-Re: …’)
(angemessene deutsche Übertragung etwa:) ‘Wörtlich gesprochen von Amun-Re: …’

Die Zeichenkombination 𓌃𓆓 wird in anderen Kontexten quasi wie ein Anführungszeichen verwendet.

Literaturhinweise

Allen (²2010: Kap. 18.7, 14.9); Schenkel (⁵2012: Kap. 7.3.1.1.1); Werning (2008: 277)

Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).


Übungseinheit

Nach diesem Paragraphen können Sie Übung 9: Posterior und Perfektiv machen.



Zitieren Sie diese Version dieser Seite:

Daniel A. Werning. 7.5.2021. "§45", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A745%26oldid=928 (Zugriff: 13.12.2024).

Kommentieren Sie diese Seite hier.

← zurück §44 weiter §46 →