§2
Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik
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Schriftsysteme und Transliteration
(1) Schriftarten und -varianten
Vergleichbar mit unserer Handschrift vs. Druckschrift, kann ein und dieselbe Nachricht in verschiedenen Schriftarten geschrieben werden. Im Hieroglyphisch-Ägyptischen des 2. Jahrtausends v.Chr. sind drei Arten zu unterscheiden: die „hieroglyphische“ Schrift, die „kursiv-hieroglyphische“ Schrift und die „hieratische“ Schrift. Diese sind grob mit dem heutigen Unterschied zwischen Buch-Druckschrift, handschriftlicher Druckbuchstabenschrift und Schreibschrift vergleichbar.
Hieroglyphische Schrift | Kursiv-hieroglyphische Schrift | Hieratische Schrift | ||
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Beispiele | ||||
Im standar- disierenden Computer- Schriftsatz: |
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Abb. 2 Aus dem Höhlenbuch im Grab Ramses’ IV. (KV 2, Annex) |
Abb. 3 Aus dem Totenbuch-Papyrus des Ani |
Abb. 4 Aus der Erzählung des Sinuhe (Sinuhe B 6) | ||
Ein charakteristisches Zeichen, anhand dessen man die Schriftart gut identifizieren kann, ist der Henkelkorb: | ||||
Hieroglyphe, Hieratisch
Die Ägypter bezeichneten die Hieroglyphen als ‘Gottesworte’ (𓊹𓌃𓏛 md(w.w)-nṯr). Die modernen Benennungen gehen hingegen letztendlich auf die Beschreibung der Schriftarten durch griechische Autoren zurück: Hieroglyphen ‘heilige, eingravierte (Schrift)’, hieratisch ‘priesterliche (Schrift)’. Allerdings beobachteten sie die Nutzung zu einer sehr viel späteren Zeit, als der in dieser Einführung behandelten (1. Jt. v.Chr.). Die Bezeichnung der Schreibschrift als ‘priesterliche’ Schrift trifft für die hier behandelte ältere Zeit (2. Jt. v.Chr.) nicht zu.
Kursiv-hieroglyphisches Original |
Hieroglyphische Transliteration | |
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Die handschriftlichen, oder auch kursiven, Schriften (kursiv-hieroglyphische und hieratische Schrift) können weitgehend verlustfrei in hieroglyphische Zeichenfolgen umgesetzt werden. Diesen weitgehend verlustfreien Umsetzungsprozess bezeichnet man als „Transliteration“. Auch das Ergebnis der Transliteration wird als „Transliteration“ bezeichnet. | ||
Abb. 5 Aus einem Sargtext (CT IV, 255b–257a T1Be) |
Hieratisches Original | |
Hieroglyphische Transliteration | |
Abb. 6 Aus der Lehre des Ptahhotep (Ptahhotep 277–278) |
Während die lateinische Schrift immer in Zeilen und von links nach rechts geschrieben wird, werden ägyptische Texte, abhängig von der gewählten Schriftart, auch in anderen Richtungen geschrieben: in Zeilen oder in Spalten, sog. „Kolumnen“, und jeweils zeilen- bzw. kolumnenintern rechts-links-orientiert oder links-rechts-orientiert.
Rechts-links-orientiert (←) | Links-rechts-orientiert (→) | |||
---|---|---|---|---|
Kolumne (↓) | Zeile (←) | Kolumne (↓) | Zeile (→) | |
Hieratisch | — | — | ||
Kursiv-hieroglyphisch | (nur ausnahmsweise) |
(nur ausnahmsweise) | ||
Hieroglyphisch |
Die zeilen- bzw. kolumneninterne horizontale Ausrichtung (rechts-links oder umgekehrt) erkennt man an der Orientierung einzelner nicht-symmetrischer Hieroglyphen. Die einfachste Methode ist es, nach menschen- oder tiergestaltigen Zeichen zu suchen. Da wo die Lebewesen hinschauen, ist der Anfang; der Hintern zeigt in Richtung Ende: rechts-links-orientiert , vs. links-rechts-orientiert 𓀀, 𓄿.
Aus praktischen Gründen werden die Originaltexte in der Lehre und in Publikationen zumeist in Hieroglyphen transliteriert wiedergegeben und quadratweise (dazu unten) in links-rechts-läufige Zeilen umgesetzt. Zeichen, die kein Quadrat füllen (siehe unten), werden dabei mittig angeordnet. Vergleiche folgende in eine links-rechts-orientierte Zeile umgesetzte Transliterationen mit den Originalen oben:
- 𓎛𓍯𓄿𓄿𓏏𓐎𓏦𓇋𓏤𓊹𓀭𓊪𓆑𓉻𓂝𓄿 (vgl. Abb. 2),
- 𓂞𓎢𓈖𓍇𓏌𓅱𓂧𓂻𓂋𓀀𓇋𓅓𓆑𓎛𓈖𓂝 (vgl. Abb. 3),
- 𓈝𓅓𓏏𓂻𓅓𓏃𓈖𓏏𓇋𓇋𓏏𓊛𓂜𓎢𓄿𓀀 (vgl. Abb. 4),
- 𓆓𓌃𓇋𓋴𓆑𓅂𓏦𓇋𓏶𓅓𓅱𓆱𓐍𓏏 (vgl. Abb. 5).
(Der folgende Hinweis kann ggf. zunächst übergangen werden.)
Hinweis: Da im Kursiv-Hieroglyphischen und Hieratischen der Henkelkorb gegenüber der hieroglyphischen Zeichenorientierung (𓎡) gespiegelt ist – der lange Strich stellt laut vorherrschender Meinung den Henkel(!) dar –, hat es sich eingebürgert, den Henkelkorb in hieroglyphischen Transliterationen von original kursiven Schriftarten auch gespiegelt wiederzugeben (𓎢): z.B. 𓅓𓂝𓎢 statt 𓅓𓂝𓎡. Umgekehrt sieht man daher einer hieroglyphischen Zeichenfolge an, dass es sich nicht um einen original hieroglyphischen Text, sondern um eine hieroglyphische Transliteration aus einer kursiven Schriftart handelt, wenn der Henkelkorb gegenüber seiner normalen Orientierung gespiegelt ist (siehe die Transliterationen oben).
(2) Lokale Lesefolge
Gemessen an der gewählten Zeilenhöhe bzw. Kolumnenbreite hat jedes Zeichen seine prozentuale Standardgröße. Die Zeichen nehmen in erster Näherung den Platz eines vollen, eines dreiviertel, eines halben oder eines viertel Quadrats ein. Optional können Zeichen auf bis zu ²⁄₃ ihrer Standardgröße verkleinert werden und belegen dann Teile eines Neun-Neuntel-Quadrats.
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(3) Kolumnenfolge und retrogrades Textlayout
(Dieser Abschnitt kann ggf. zunächst übergangen werden.)
Eine weitere Unterscheidung betrifft die Anordnung von aufeinander folgenden Kolumnen. Normalerweise ist die Kolumnenfolge entsprechend der kolumneninternen Orientierung gestaltet, d.h. bei kolumneninterner Rechts-links-Orientierung steht die erste Kolumne ganz rechts, die letzte ganz links, und bei kolumneninterner Links-rechts-Orientierung steht die erste Kolumne ganz links, die letzte ganz rechts. Bei einigen Texten ist diese Regel aber invertiert: Während die Leserichtung kolumnenintern z.B. rechts-links-orientiert ist, ist die Kolumnenfolge aber umgekehrt links-rechts-orientiert, d.h. die erste Kolumne steht ganz links. Diese Gegenläufigkeit von kolumneninterner Orientierung und Kolumnenfolge-Orientierung wird traditionell als „retrograde Schreibung“ bezeichnet. Präziser wäre aber von „retrogradem Textlayout“ (D. Werning) zu sprechen.
Korreliertes Textlayout | Retrogrades Textlayout | |
---|---|---|
Kolumneninterne Orientierung | rechts-links-orientiert (←) | rechts-links-orientiert (←) |
(←) (←) (←) | (←) (←) (←) | |
Kolumnennummer | 3 ← 2 ← 1 | 1 → 2 → 3 |
Kolumnenfolge-Orientierung | rechts-links-orientiert (←) | links-rechts-orientiert (→) |
Retrogrades Textlayout findet sich insbesondere häufig bei kursiv-hieroglyphisch geschriebenen religiösen Texten wie z.B. Totenbüchern.
Literaturhinweise
Allen (²2010: ch. 1.4, 1.6–1.9); Schenkel (⁵2012: Kap. 1.3, 3.3.1)
Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).
Übungseinheit
Nach diesem Paragraphen können Sie Übung 1: Lesereihenfolge machen.
Zitieren Sie diese Version dieser Seite:
Daniel A. Werning. 20.4.2018. "§2", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A72%26oldid=127 (Zugriff: 22.11.2024).
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