Zeitachsenmanipulation: Unterschied zwischen den Versionen

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Mit der Kinematografie (übrigens stammt das Wort aus dem griech. von ϰίνημα kínēma, „Bewegung“, auch „Erschütterung“, „Veränderung“ und γράφειν gráphein, „(be-)schreiben“) begann die Möglichkeit, Bilder beliebig anzuordnen und sie in beliebiger Geschwindigkeit abzuspielen. Mit dem Phonographen Edisons (1877) konnten nicht nur erstmalig Töne und somit Stimmen konserviert (aufgezeichnet, gespeichert) und wiedergegeben werden (was für starke kulturelle Irritation und Schockierung sorgte), sondern auch - eben wie in der Filmtechnik hier auf akustischer Ebene - die Abfolge und Geschwindigkeit von Tönen manipuliert werden. Durch diese Technologien wurde Zeit von einer statischen, linearen Größe, einer Achse, plötzlich zu einer Variable.
Mit der Kinematografie (übrigens stammt das Wort aus dem griech. von ϰίνημα kínēma, „Bewegung“, auch „Erschütterung“, „Veränderung“ und γράφειν gráphein, „(be-)schreiben“) begann die Möglichkeit, Bilder beliebig anzuordnen und sie in beliebiger Geschwindigkeit abzuspielen. Mit dem Phonographen Edisons (1877) konnten nicht nur erstmalig Töne und somit Stimmen konserviert (aufgezeichnet, gespeichert) und wiedergegeben werden (was für starke kulturelle Irritation und Schockierung sorgte), sondern auch - eben wie in der Filmtechnik hier auf akustischer Ebene - die Abfolge und Geschwindigkeit von Tönen manipuliert werden. Durch diese Technologien wurde Zeit von einer statischen, linearen Größe, einer Achse, plötzlich zu einer Variable.


Einen weiteren Schritt erlauben Programmiersprachen, in denen Zyklen, Schleife und Sprünge zur Strukturierung und auch einer Endlichkeit von Codes führen: Durch diese Zeitfiguren der Programmierung ist es möglich mit endlichen Codes (bestimmte Zeilenlänge) theoretisch unendlich lange Programme zu schreiben. Friedrich Kittler stellt diesen Aspekt auch im klassischen Alphabet fest. (!!!!! WEITERSCHREIBEN)
Einen weiteren Schritt erlauben Programmiersprachen, in denen Zyklen, Schleife und Sprünge zur Strukturierung und auch einer Endlichkeit von Codes führen: Durch diese Zeitfiguren der Programmierung ist es möglich mit endlichen Codes (bestimmte Zeilenlänge) theoretisch unendlich lange Programme zu schreiben. Friedrich Kittler stellt diesen Aspekt auch im klassischen Alphabet fest. Denn für ihn bedeutet Zeitachsenmanipulation in erster Linie die Möglichkeit, "einen zeitseriellen Datenstrom anders anzuordnen"<ref>Friedrich Kittler: Draculas Vermächtnis. Leipzig 1993. S. 183.</ref>. Unter diesen Datenstrom kann selbstverständlich auch die alphabetische Schriftsprache gefasst werden, da sie sich aus diskreten Zeichen zusammensetzt. Dies steht ganz im Gegensatz zur "flüchtigen" gesprochenen Sprache. Der philosophische "Hausgeist" der Berliner Schule am Kupfergraben, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, benennt diesen vergänglichen und somit nicht zeitmanipulierbaren Aspekt der gesprochenen Sprache als ein Dasein, das "verschwindet in dem es ist"<ref>Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Berlin 1845. S. 412.</ref>.
 


Zeitachsenmanipulation ist im Gegensatz zur Manipulation räumlicher Ordnung schon dadurch erschwert, dass die Zeit eine Nachfolgerelation verschiedener Punkte vorgibt, währenddessen Raumpunkte beliebig zueinander angeordnet sind.<ref>vgl. Friedrich Kittler: Draculas Vermächtnis. S. 183.</ref> Um Zeit zu manipulieren, wird sie räumlich strukturiert. "[Den Messapparaten] liegen Prinzipien zu Grunde, die machen die Zeitunterschiede dadurch messbar, dass sie dieselben in Raumunterschiede verwandeln."<ref>Hermann von Helmholtz:  Über die Methoden, kleinste Zeitteile zu messen, und ihre Anwendung für physiologische Zwecke. In: Königsberger naturwissenschaftliche Unterhaltungen 2/2. Königsberg 1848. S. 173.</ref> Das klingt zunächst abstrakt, ist aber schon bei einem Blick auf das alltäglichste Zeitmessgerät - die Uhr - nachvollziehbar. Um Zeitunterschiede anzuzeigen bewegen sich Zeiger mit verschiedenen Geschwindigkeiten über das Ziffernblatt, auf welchem in regelmäßigen, festgelegten Abständen Zeitunterschiede (Sekunden, Minuten, Stunden) durch das Überschreiten von Markierungen (Striche, Zahlen) abgebildet werden.
Zeitachsenmanipulation ist im Gegensatz zur Manipulation räumlicher Ordnung schon dadurch erschwert, dass die Zeit eine Nachfolgerelation verschiedener Punkte vorgibt, währenddessen Raumpunkte beliebig zueinander angeordnet sind.<ref>vgl. Friedrich Kittler: Draculas Vermächtnis. S. 183.</ref> Um Zeit zu manipulieren, wird sie räumlich strukturiert. "[Den Messapparaten] liegen Prinzipien zu Grunde, die machen die Zeitunterschiede dadurch messbar, dass sie dieselben in Raumunterschiede verwandeln."<ref>Hermann von Helmholtz:  Über die Methoden, kleinste Zeitteile zu messen, und ihre Anwendung für physiologische Zwecke. In: Königsberger naturwissenschaftliche Unterhaltungen 2/2. Königsberg 1848. S. 173.</ref> Das klingt zunächst abstrakt, ist aber schon bei einem Blick auf das alltäglichste Zeitmessgerät - die Uhr - nachvollziehbar. Um Zeitunterschiede anzuzeigen bewegen sich Zeiger mit verschiedenen Geschwindigkeiten über das Ziffernblatt, auf welchem in regelmäßigen, festgelegten Abständen Zeitunterschiede (Sekunden, Minuten, Stunden) durch das Überschreiten von Markierungen (Striche, Zahlen) abgebildet werden.

Version vom 20. Oktober 2017, 17:40 Uhr

Begriff


- linear - unumkehrbar - Abfolge von Ereignissen

Medienwissenschaftliche Perspektive


Als fundamentale Erkenntnis menschlichen Daseins galt lange die Unumkehrbarkeit der Zeit. Durch die bahnbrechenden Technologien Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese gefestigte Beziehung zur Zeit als lineare Größe aufgebrochen/erschüttert. Mit der Kinematografie (übrigens stammt das Wort aus dem griech. von ϰίνημα kínēma, „Bewegung“, auch „Erschütterung“, „Veränderung“ und γράφειν gráphein, „(be-)schreiben“) begann die Möglichkeit, Bilder beliebig anzuordnen und sie in beliebiger Geschwindigkeit abzuspielen. Mit dem Phonographen Edisons (1877) konnten nicht nur erstmalig Töne und somit Stimmen konserviert (aufgezeichnet, gespeichert) und wiedergegeben werden (was für starke kulturelle Irritation und Schockierung sorgte), sondern auch - eben wie in der Filmtechnik hier auf akustischer Ebene - die Abfolge und Geschwindigkeit von Tönen manipuliert werden. Durch diese Technologien wurde Zeit von einer statischen, linearen Größe, einer Achse, plötzlich zu einer Variable.

Einen weiteren Schritt erlauben Programmiersprachen, in denen Zyklen, Schleife und Sprünge zur Strukturierung und auch einer Endlichkeit von Codes führen: Durch diese Zeitfiguren der Programmierung ist es möglich mit endlichen Codes (bestimmte Zeilenlänge) theoretisch unendlich lange Programme zu schreiben. Friedrich Kittler stellt diesen Aspekt auch im klassischen Alphabet fest. Denn für ihn bedeutet Zeitachsenmanipulation in erster Linie die Möglichkeit, "einen zeitseriellen Datenstrom anders anzuordnen"[1]. Unter diesen Datenstrom kann selbstverständlich auch die alphabetische Schriftsprache gefasst werden, da sie sich aus diskreten Zeichen zusammensetzt. Dies steht ganz im Gegensatz zur "flüchtigen" gesprochenen Sprache. Der philosophische "Hausgeist" der Berliner Schule am Kupfergraben, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, benennt diesen vergänglichen und somit nicht zeitmanipulierbaren Aspekt der gesprochenen Sprache als ein Dasein, das "verschwindet in dem es ist"[2].


Zeitachsenmanipulation ist im Gegensatz zur Manipulation räumlicher Ordnung schon dadurch erschwert, dass die Zeit eine Nachfolgerelation verschiedener Punkte vorgibt, währenddessen Raumpunkte beliebig zueinander angeordnet sind.[3] Um Zeit zu manipulieren, wird sie räumlich strukturiert. "[Den Messapparaten] liegen Prinzipien zu Grunde, die machen die Zeitunterschiede dadurch messbar, dass sie dieselben in Raumunterschiede verwandeln."[4] Das klingt zunächst abstrakt, ist aber schon bei einem Blick auf das alltäglichste Zeitmessgerät - die Uhr - nachvollziehbar. Um Zeitunterschiede anzuzeigen bewegen sich Zeiger mit verschiedenen Geschwindigkeiten über das Ziffernblatt, auf welchem in regelmäßigen, festgelegten Abständen Zeitunterschiede (Sekunden, Minuten, Stunden) durch das Überschreiten von Markierungen (Striche, Zahlen) abgebildet werden.

- erste Technik: Alphabet

Zeitsprünge (werden in technischen Medien plötzlich realisierbar); Zeitreise (science fiction), Beschleunigung/Verzerrung (Time-stretching (ZEITlupe); Verzögerung: Explosionsmodell als medientechnisches Verfahren) -> Film/Tonträger)


Artefakte


Weiterführendes


Friedrich Kittler: time axis manipulation

Textverweise


(nur einfügen, wenn man Fußnoten im Text hat…. und dann nichts selbst runterschreiben)

  1. Friedrich Kittler: Draculas Vermächtnis. Leipzig 1993. S. 183.
  2. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Berlin 1845. S. 412.
  3. vgl. Friedrich Kittler: Draculas Vermächtnis. S. 183.
  4. Hermann von Helmholtz: Über die Methoden, kleinste Zeitteile zu messen, und ihre Anwendung für physiologische Zwecke. In: Königsberger naturwissenschaftliche Unterhaltungen 2/2. Königsberg 1848. S. 173.