§77

Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik

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Das „Negativkomplement“ sḏm.w

(1) Vergleichbar dem engl. don’t move, werden im Ägyptischen in einigen Fällen Verneinungen mit verneinenden Hilfsverben (don’t) gebildet, denen das „eigentliche“ Verb folgt (move). Das „eigentliche“ Verb erscheint im Ägyptischen dabei in einer ganz speziellen Form, die in der ägyptologischen Philologie als „Negativkomplement“ bezeichnet wird. Sie steht obligatorisch nach verschiedenen „Negationsverben“, insbesondere nach:

𓏏𓍃, 𓏏𓍃𓂜 tm ‘nicht tun’ (in verschiedenen, insbesondere nominalen Verbalformen,
z.B. Infinitiv (§92) oder Subjunktiv im Nebensatz (vgl. §78),
𓅓, 𓅓𓂜 m (Imperativ) ‘tu nicht, tut nicht!’ (Beispiel siehe oben in §76),
𓇋𓅓𓂜, 𓏶𓅓𓂜 jm(j) (Subjunktiv) ‘soll nicht tun’ (Beispiel siehe unten).

Das Negativkomplement kommt nur hinter solchen Negationsverben vor.

Die Morphologie des Negativkomplements stellt sich wie folgt dar:

Stark IIae geminatae IIIae infirmae rḏ(j) jw(j)/jj(j)
𓄔𓅓 𓌴𓁹𓄿𓄿 𓁹, 𓁹𓅱 𓂋𓂞, 𓂋𓂝, 𓂋𓂝𓇋𓇋 𓂻𓅱
sḏm(.w) mꜣꜣ(.w) jr(j.w) ~ jr(j).w rḏ(j.w) ~ rḏy(.w) jw(j.w)
‘hören’ ‘sehen’ ‘machen’ ‘geben’ ‘kommen’


Eine Endung w erscheint nur vereinzelt bei Verben IIIae infirmae geschrieben. Beispiel:

𓇋𓅓𓂜𓎢 𓉔𓄿𓅱𓂻
jm(j)⸗k hꜣ(j).w
nicht_tun.sbjv=2sg.m hinabbewegen:nkompl
‘Du sollst nicht herabfallen!’


Aus systematischen Gründen wollen wir die Endung w aber bei allen Verbalklassen in Klammern mit transkribieren.

Anmerkung: Im späteren 2. Jahrtausend, d.h. zum Neuägyptischen hin, wird das Negativkomplement morphologisch durch den Infinitiv (§92) ersetzt.


(2) Ist das Subjekt der aus Negation und Negativkomplement bestehenden Phrase kein „leichtes“ Suffixpronomen (wie oben ⸗k), sondern ein „schweres“ Substantiv, so steht es normalerweise erst hinter dem Negativkomplement. Beispiel:

𓇋𓅓𓂜 𓉔𓄿𓅱𓂻 𓊃𓏤𓀀
jm(j) hꜣ(j).w z(j)
nicht_tun.sbjv hinabbewegen:nkompl Mann:m.sg
‘Der Mann soll nicht herabfallen!’


(3) Eine scheinbare semantische Besonderheit zeigt sich bei der Verneinung von rḏ(j) ‘geben, veranlassen’ plus Subjunktiv-Objektsatz (§39). Es ergibt sich nämlich häufig die Bedeutung ‘nicht zulassen, dass etw. geschieht’. In der Tat handelt es sich hier aber nur um eine Bedeutungsnuance ‘gewähren’, die rḏ(j) auch haben kann (‘geben, gewähren, veranlassen’). Beispiel:

𓅓 𓂋𓂞 𓏎‌𓈖𓏏𓋴‌𓈖𓏥 𓏏𓏐𓏒 𓈖 𓐍𓈖𓂋𓀏
m rḏ(j.w) jnt⸗sn n ḫnr
nicht_tun.imp geben:nkompl bringen:sbjv=3pl Brot:m.sg dat Gefangener:m.sg
Lass nicht zu, dass sie dem Gefangenen Brot bringen!’


Literaturhinweise

Allen (²2010: ch. 14.16–17); Schenkel (⁵2012: Kap. 7.4.2.2, 19.11,2–3); Schenkel (2000b).

Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).


Übungseinheit

Nach diesem Paragraphen können Sie Übung 17: Imperativ machen.



Zitieren Sie diese Version dieser Seite:

Daniel A. Werning. 22.6.2018. "§77", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A777%26oldid=321 (Zugriff: 28.11.2024).

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