§24
Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik
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Numerus (Mehrzahl Numeri)
An Substantiven wird in vielen Sprachen mittels einer Endung die grammatische ‘Zahl’, der sog. Numerus angezeigt. Im Deutschen sind dies entweder Einzahl („Singular“) oder Mehrzahl („Plural“). Nicht wenige Sprachen markieren zusätzlich die Zweizahl „Dual“ besonders.
Numerus des ägyptischen Substantivs
(1) Ägyptische Substantive können einen von nicht nur zwei, sondern von drei „Numeri“ haben: „Singular“ (Einzahl), „Dual“ (Zweizahl) oder „Plural“ (Mehrzahl).
Als Faustregel gilt: Im Plural kommt im Maskulinum ein w ganz hinten dazu, beim Femininum ein w nicht hinter, sondern vor dem Feminin-t. Der Plural wird zusätzlich oder alternativ gerne durch den „Grammato-Klassifikator“ 𓏦 / 𓏪 (Plural) angezeigt (dazu unten mehr). Im Dual sind die Endungen wï (Maskulinum) bzw. tï (Femininum). Die Transkriptionen und üblichen Schreibungen der Endungen in den drei Numeri sehen im Detail wie folgt aus:
Singular | Plural | Dual | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Maskulinum | (keine Endung) | .w oder .(w) |
𓅱 + 𓏦 𓏦 |
.wï | 𓅱𓏭, 𓅱𓏮 | |
(.w) | .(w)w | 𓅱 + 𓏦 | .(w)wï | 𓅱𓏭, 𓅱𓏮 | ||
.ï | 𓏭 | .(ï)w | 𓅱 + 𓏦 | .(ï)wï | 𓅱𓏭, 𓅱𓏮 | |
(Kollektiva, Abstrakta) |
.w | 𓅱 (+ 𓏦) | .w(w) | 𓅱 + 𓏦 | kein klarer Beleg | |
Femininum | .t | 𓏏 | .(w)t *) | 𓏏 + 𓏦 | .tï | 𓏏𓏭, 𓏏𓏮 |
.(ï)t | 𓏏 | .(ïw)t *) | 𓏏 + 𓏦 | .(ï)tï | 𓏏𓏭, 𓏏𓏮 | |
(Kollektiva, Abstrakta) |
.wt | 𓅱𓏏 (+ 𓏦) | .w(w)t *) | 𓅱𓏏 + 𓏦 | kein klarer Beleg | |
.yt | 𓇋𓇋𓏏 (+ 𓏦) | .y(w)t *) | 𓇋𓇋𓏏 + 𓏦 | kein klarer Beleg |
*) Anmerkung: Das w im Fem. Pl. (w)t wird nie mit 𓅱 geschrieben. Die Transkription (w)t mit (w) ist als reine akademische Konvention zu verstehen. Korrekter wären eigentlich dieselben Transkriptionen wie im Singular. Scheinbar pluralische Wörter, die mit 𓅱𓏏 .wt geschrieben werden, sind eigentlich (ursprünglich) Kollektiva, was inhaltlich fast auf dasselbe hinaus läuft (vgl. Brüder vs. Brüderschaft, Herren vs. Herrschaften). In der Tat ist der Unterscheid zwischen Fem. Sg. und Fem. Pl. wohl einer der Vokallänge gewesen (z.B. Fem. Sg. /at/ vs. Fem. Pl. /āt/, beide konsonantisch nur mit einfachem t geschrieben).
(2) Für die Schreibung der Numeri gibt es verschiedene Strategien, die teilweise kombiniert auftreten.
a) Schreibung mit Grammato-Klassifikator 𓏦 / 𓏪 (Plural), z.B.:
Singular 𓋴𓂋𓀙 𓊹𓏤 𓁶𓏤 s-r-Beamter nṯr|Gott-(Sem.) dp|Kopf-(Sem.) sr nṯr dp Plural 𓋴𓂋𓀙𓏪 𓊹𓏤𓏦 𓁶𓏥 s-r-Beamter-Plural nṯr|Gott-(Sem.)-Plural dp|Kopf-Plural sr.(w) nṯr.(w) dp.(w) ‘Beamte’ ‘Götter’ ‘Köpfe’
Singular 𓏟𓀀 𓊹𓂋𓏏 𓊨𓏏𓉐 zẖꜣw|Schreiber-Mann nṯr|göttlich:r-t st:t-Raum zẖꜣ(.w) nṯr.t s.t Plural 𓏟𓀀𓏥 𓊹𓂋𓏏𓏦 𓊨𓏏𓉐𓏥 zẖꜣw|Schreiber-Mann-Plural nṯr|göttlich:r-t-Plural st:t-Raum-Plural zẖꜣ.(ww) nṯr.(w)t s.(w)t ‘Schreiber’ ‘Göttinnen’ ‘Plätze’
Diese Schreibstrategie ist im Mask. Pl. häufig und im Fem. Pl. der Regelfall. Im Dual ist sie ganz unüblich (die 𓏮 in 𓅱𓏮 und 𓏏𓏮 werden traditionell immer als Einkonsonantenzeichen gewertet, siehe unten). Die Grammato-Klassifikatoren stehen fast immer am Wortende. Ein etwaiger Semogramm-Index (§10) bleibt entweder deutlich von dem Grammato-Klassifikator getrennt oder fällt weg (vgl. nṯr.(w) und dp.(w) oben).
b) Ausschreibung mit Endungshalbvokalen, z.B.:
Singular 𓂋𓅓𓆟 𓄡𓂋𓂧𓀔 r-m-Fisch ẖ-r-d-Kind rm ẖrd Plural 𓂋𓅓𓅱𓆟𓏥 𓄡𓂋𓂧𓅱𓀔𓏦 r-m-w-Fisch-Plural ẖ-r-d-w-Kind-Plural rm.w ẖrd.w ‘Fische’ ‘Kinder’
Singular 𓂝𓏤 𓁹𓏏𓏤 ꜥw|Arm&Hand-(Sem.) jrt|Auge:t-(Sem.) ꜥ(w) jr.t Dual 𓂝𓅱𓏭 𓁹𓏏𓏮 ꜥw|Arm&Hand-w-ï jrt|Auge:t-ï ꜥ(w).wï jr.tï ‘(beide) Arme, (beide) Hände’ ‘(beide) Augen’
Die Schreibstrategie ist im Mask. Pl. bei bestimmten Wörtern üblich, im Fem. Pl. nicht sicher belegt (vgl. den Kommentar oben), im Dual häufig. In der Regel wird im Plural gleichzeitig ein Grammato-Klassifikator geschrieben. Ein etwaiger Semogramm-Index fällt im Regelfall weg.
Im Dual mag man 𓏮 / 𓏭 genau so gut als Phonogramm ï wie als Grammato-Klassifikator für Dual verstehen – insbesondere wenn 𓏮 / 𓏭 ganz am Wortende steht. Traditionell wird es als Phonogramm identifiziert.
c) Schreibung mit Verdopplung (Dual) bzw. Verdreifachung (Plural) des Klassifikators (geläufig), des (autonomen) Logogramms (geläufig), des zentralen Phonogramms (gelegentlich) oder der ganzen phonologischen Wortschreibung (nach dem Alten Reich unüblich). Beispiele:
Singular 𓂋𓂧𓂾 𓂋𓅓𓆟 𓊹𓏤 r-d-Bein&Fuß r-m-Fisch nṯr|Gott rd rm nṯr Dual/Plural 𓂋𓂧𓂾𓂾 𓂋𓅓𓅱𓆟𓆟𓆟 𓊹𓊹𓊹 r-d-(Bein&Fuß):2× r-m-w-(Fisch):3× (nṯr|Gott):3× rd.(wï) rm.w nṯr.(w) ‘(beide) Beine’ ‘Fische’ ‘Götter’
Singular 𓇾𓈇𓏤 𓌢𓈖𓀀 𓂋𓈖 tꜣ|Land-Kultiviertes Land-(Sem.) sn-n-Mann r-n tꜣ sn rn Dual/Plural 𓇿𓇿𓈇𓈇 𓌢𓌢𓌢𓏌𓅱𓀀𓀀𓀀 𓂋𓈖𓂋𓈖𓂋𓈖 (tꜣ|Land):2×-(Kultiviertes Land):2× (sn):3×-nw-w-(Mann):3× (r-n):3× tꜣ.(wï) sn.w rn.(w) ‘die Beiden Länder’ ‘Brüder’ ‘Namen’
Literaturhinweise
Allen (²2010: Kap. 4.5–8); Schenkel (⁵2012: Kap. 5.1.1.3)
Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).
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Daniel A. Werning. 12.6.2018. "§24", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A724%26oldid=234 (Zugriff: 22.11.2024).
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