Faḍīla (Tugend)

Aus Wege zu einer Ethik

Wechseln zu: Navigation, Suche

"Tugend" in der islamischen Ethikphilosophie

In arabischen Rezeptionen der griechischen antiken Tugendethik wird faḍīla (Pl. faḍā`il) gebraucht, um aretê aus jener Tradition wiederzugeben. [1] So entwickelte sich faḍīla also erst unter Einwirkung der Philosophie als Kernbegriff, um angemessene oder ideale Handlungen, also die Tugend, zu erfassen. Die gegensätzlichen Handlungen werden als raḏīla (Pl. raḏā´il) bezeichnet.

Als erster islamischer Philosoph definiert Yaʿqūb ibn Isḥāq al-Kindī (gest. 268-271) faḍīla als dem Menschen spezifische hochwertige Charaktereigenschaft. Der platonischen Auffassung entsprechend, ordnet er der Seele (nafs) vier Kardinaltugenden zu, die in ausführlicherer Darstellung in späteren philosophischen Ethikwerken, wie u. a. in ʿIlm al-aḫlāq von Ibn Sīnā (gest. 428/ 1037) und Tahḏīb al-aḫlāq des Ibn Miskawayh`s (gest. 421/ 1030) neu aufgegriffen werden. [2] Ibn Miskawayh, der aristotelische Tugendkonzepte in seine Ethik eingebaut hat, richtet sich bezüglich der Kardinaltugenden Weisheit (ḥikma), Mut (šaǧaʿa), Besonnenheit (ʿiffa) und Gerechtigkeit (ʿadl) nach dem platonischen Vorbild. [3] Dabei wird die Gerechtigkeit als oberste Tugend wiedergegeben. [4] Außerdem teilt Ibn Miskawayh jeder dieser Tugenden eine ganze Reihe von untergeordneten Tugenden zu. [5] Ob vor Ibn Miskawayh diese Art von Untertugenden behandelt wurden, ist unklar. [6] Immerhin wird diese Darstellung seitens ʿAḍud d-Dīn al- Īǧī (gest. 1355) und seinen Kommentatoren, mit geringen Variationen bezüglich der Anzahl und Benennung, jahrhundertelang fortgesetzt. [7]


Autor*innen und Quellenangaben

Dieser Artikel wurde verfasst von: Fatma Akan Ayyildiz.


Quellen:

  1. Cleophea Ferrari. "Antike Tugendethik in der arabischen Philosophie". In Tugend. Orient und Okzident Bd. 1. Dagmar Kiesel, Cleophea Ferrari (Hg). Frankfurt am Main: Klostermann, 2016. S. 111.
  2. Mustafa Çağrıcı, „Fazilet”, TDV İslam Ansiklopedisi, Istanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2009, XII: 268-271; siehe auch Ottfried Höffe. Aristoteles- Lexikon. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 2005 s. 80.
  3. Cleophea Ferrari. „Antike Tugendethik in der arabischen Philosophie“. S. 118; Abū ʿAlī Ahmad ibn Muḥammad ibn Yaʿqūb Miskawayh. Tahḏīb al-aḫlāq, Hg. Ammād al- Hilālī. Freiburg: Al- Kamel Verlag, 2011. S. 249- 251.
  4. Miskawayh. Tahḏīb al-aḫlāq. S. 251.
  5. Miskawayh. Tahḏīb al-aḫlāq. S. 251- 257.
  6. Kübra Bilgin. Şerhu Ahlâkı Adudiyye Metin ve Değerlendirme .Unveröffentlichte Magisterarbeit, Istanbul: Universität Marmara, 2013. S. 55- 56.
  7. ʿAḍud d-Dīn al-Īǧī, Risālat al-aḫlāq. Beirut: Dār al-Ḍiyā`, 2018, S. 39- 42; Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ Risālat al-aḫlāq. Beirut: Dār al-Ḍiyā`, 2018, S. 80- 105.