Istiqāma (Geradheit, Korrektheit): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wege zu einer Ethik

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Auffällig bei Ṭāšköprüzādehs Erläuterungen ist, dass er in seinem Ethikkonzept das koranische ''aṣ-ṣirāt al-mustaqīm'', das wie oben angeführt, der "rechte Weg", der zu Gott führen soll, bedeutet, mit der in den Hadīṯen rezepierten Brücke (''ṣirāṭ'') über dem ''ǧahannam'', <ref>Buḫārī, 46: Maẓālim, no. 1; 81: riqāq, no. 124; Tirmiḏī, 47: Tafsīr al-qur´ān, no. 3549; Sunan Ibn Māǧa, XXXVII: Kitāb az-zuhd, no. 180.</ref> die dünner als ein Haar und schärfer als eine Klinge sein soll <ref>Muslim, I: Īmān, no. 362.</ref> alludiert.<ref>Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ. S. 71.</ref> Somit entfernt er sie aus dem eschatologischen Kontext in den Hadīṯen und überträgt sie auf das Weltliche. Nach der Darstellung in Šarḥ Risālat al-aḫlāq ist ''sirāṭ'' also als das tugendhafte Leben im Diesseits zu verstehen, wobei die Skizzierung dessen („dünner als ein Haar und schärfer als eine Klinge“) Hinweis auf die dafür notwendige Mühe bieten soll.
Auffällig bei Ṭāšköprüzādehs Erläuterungen ist, dass er in seinem Ethikkonzept das koranische ''aṣ-ṣirāt al-mustaqīm'', das wie oben angeführt, der "rechte Weg", der zu Gott führen soll, bedeutet, mit der in den Hadīṯen rezepierten Brücke (''ṣirāṭ'') über dem ''ǧahannam'', <ref>Buḫārī, 46: Maẓālim, no. 1; 81: riqāq, no. 124; Tirmiḏī, 47: Tafsīr al-qur´ān, no. 3549; Sunan Ibn Māǧa, XXXVII: Kitāb az-zuhd, no. 180.</ref> die dünner als ein Haar und schärfer als eine Klinge sein soll <ref>Muslim, I: Īmān, no. 362.</ref> alludiert.<ref>Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ. S. 71.</ref> Somit entfernt er sie aus dem eschatologischen Kontext in den Hadīṯen und überträgt sie auf das Weltliche. Nach der Darstellung in Šarḥ Risālat al-aḫlāq ist ''sirāṭ'' also als das tugendhafte Leben im Diesseits zu verstehen, wobei die Skizzierung dessen („dünner als ein Haar und schärfer als eine Klinge“) Hinweis auf die dafür notwendige Mühe bieten soll.


Auch ist das „Feuer“, worüber, den Hadīṯen zufolge, das ''ṣirāṭ'' gespannt sein soll, in diesem Werk kein eschatologisches mehr; sondern es sei jene Seite des rechten Pfades, wo man sich im Übermaß befinde, wie sie in Q 104:6-8 beschrieben sein soll. Die andere Seite des Pfades sei durch die wahnsinnige Kälte des Mangels (''tafrīt'') gekennzeichnet.<ref>Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ. S. 71.</ref>
Auch ist das „Feuer“, worüber, den Hadīṯen zufolge, das ''ṣirāṭ'' gespannt sein soll, in diesem Werk kein eschatologisches mehr; sondern es sei jene Seite des rechten Pfades, wo man sich im Übermaß befinde, wie sie in [https://corpuscoranicum.de/index/index/sure/104/vers/6 Q 104:6-8] beschrieben sein soll. Die andere Seite des Pfades sei durch die wahnsinnige Kälte des Mangels (''tafrīt'') gekennzeichnet.<ref>Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ. S. 71.</ref>


== Weiterführende Literatur ==
== Weiterführende Literatur ==

Version vom 8. Februar 2021, 12:14 Uhr

Istiqāma, abgeleitet aus der Grundform q-w-m im X. Stamm, bedeutet linguistisch “Geradheit”, “aufrechte Haltung”, “Aufrichtigkeit”, “Anständigkeit”, “Rechtschaffenheit” sowie “Korrektheit”. [1]

Koranische Bedeutung

Schon im Koran ist eine ethische Anwendung des Begriffs als “gerechtes und anständiges Handeln” in zwischenmenschlichen Beziehungen erkennbar (Q 26:182; Q 9:7). Doch ist der Gebrauch von istiqāma, in seinen verschiedenen Konjunktionen, im koranischen Kontext zum Ausdruck der “Korrektheit” und “Aufrichtigkeit” primär Gott gegenüber angesetzt. So wird Propheten in direktem Aufruf verordnet, stets den “geraden Kurs” zu halten,[2] womit neben der sozialen Anständigkeit, die Verantwortung, die die prophetische Botschaft mit sich bringt, fokussiert ist. Zu erkennen ist dies auch daran, dass der Begriff am häufigsten als Adjektiv zur Charakterisierung “des Weges” (aṣ-ṣirāṭ al-mustaqīm; dt. “der rechte Pfad”; engl. “the straight path” [3];ṭarīq mustaqīm[4]) vorkommt, meistens im Zusammenhang mit der göttlichen Rechtsleitung (hudā), [5] Weg Gottes (Q 42:52) auf der sich Gott selbst befindet (Q 11:56), gleichgesetzt mit dem “richtigen Glauben” (dīnan qiyaman) [6] und der “Religion Abrahams” (millata ibrāhīma ḥanīfan)[7]. Schließlich sei die Beständigkeit auf dem “rechten Weg” nur durch gefügiges Verhalten zu garantieren (wa-in tuṭīʿūhu tahtadū; Q 24:54) und der Mensch soll sich nicht abwenden (fa-in aslamū fa-qadi htadau wa-in tawallau fa-innamā ʿalayka l-balāġu; Q 3:20 [8]), denn es gibt auch Wege, die von dem geraden abweichen (Q 16:9), ähnlich wie in der christlichen Zwei-Wege-Lehre (Matthäus 7:13; Psalm 27:11).

An einer Stelle (Q 2:142) wird istiqāma im Zusammenhang mit der Anbetungsrichtung (qibla) gebraucht.

Ethik

In seinem Šarḥ Risālat al-aḫlāq stellt Ṭāšköprüzādeh (gest. 1561) istiqāma, wie sie in Q 6:153 [9] angeführt ist, sinngleich mit dem Begriff des iʿtidāl, als den Weg der Tugendhaftigkeit dar, die, als die absolut rechte Mitte, nur äußerst schwer zu wahren sei. Die Schwierigkeit darin sei der Grund, weshalb der Prophet berichtet habe, die Sure Hūd hätte ihn aufgrund des Verses mit dem Aufruf zu istiqāma [10] altern lassen. Einfach würde es dem Menschen nämlich fallen, sein Handeln auf die Lüste im Bereich der Extreme von Übermaß (ifrāṭ) und Mangel (tafrīṭ) zu reduzieren, so wie es in der Natur des Menschen gegeben sei (mizāǧ, istiʿdād). Die Stärke eines Menschen hingegen mache sich durch die Entschiedenheit aus, stets mustaqīm die Tugendhaftigkeit der Mitte zu pflegen.[11]

Auffällig bei Ṭāšköprüzādehs Erläuterungen ist, dass er in seinem Ethikkonzept das koranische aṣ-ṣirāt al-mustaqīm, das wie oben angeführt, der "rechte Weg", der zu Gott führen soll, bedeutet, mit der in den Hadīṯen rezepierten Brücke (ṣirāṭ) über dem ǧahannam, [12] die dünner als ein Haar und schärfer als eine Klinge sein soll [13] alludiert.[14] Somit entfernt er sie aus dem eschatologischen Kontext in den Hadīṯen und überträgt sie auf das Weltliche. Nach der Darstellung in Šarḥ Risālat al-aḫlāq ist sirāṭ also als das tugendhafte Leben im Diesseits zu verstehen, wobei die Skizzierung dessen („dünner als ein Haar und schärfer als eine Klinge“) Hinweis auf die dafür notwendige Mühe bieten soll.

Auch ist das „Feuer“, worüber, den Hadīṯen zufolge, das ṣirāṭ gespannt sein soll, in diesem Werk kein eschatologisches mehr; sondern es sei jene Seite des rechten Pfades, wo man sich im Übermaß befinde, wie sie in Q 104:6-8 beschrieben sein soll. Die andere Seite des Pfades sei durch die wahnsinnige Kälte des Mangels (tafrīt) gekennzeichnet.[15]

Weiterführende Literatur

1. Walid A. Saleh. “The Etymological Fallacy and Qur´anic Studies: Muhammad, Paradise, and Late Antiquity” in The Qur´ān in Context: Historical and Literary Investigations into the Qur´ānic Milieu. Edited by Angelika Neuwirth, Nicolai Sinai, Michael Marx. S. 650- 698. (Zu Ausführungen von "straight path" siehe S. 664- 670.)

2. Monnot, G., “Ṣirāṭ”, in: Encyclopaedia of Islam, Second Edition, Edited by: P. Bearman, Th. Bianquis, C.E. Bosworth, E. van Donzel, W.P. Heinrichs.


Autor*innen und Quellenangaben

Dieser Artikel wurde verfasst von: Fatma Akan Ayyildiz.


Quellen:

  1. Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch Für Die Schriftsprache Der Gegenwart. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 1985, S. 1071.
  2. Q 42:15; Q 10:89; Q 11:112.
  3. Q 36:4; Q 6:126; Q 19:36; Q 15:41; Q 23:73; Q 6:39; Q 6:153.
  4. Q 46:30.
  5. Q 1:6; Q 3:51; Q 67:22; Q 37:118; Q 4:68; Q 4:175; Q 48:20; Q 24:46; Q 10:25; Q 16:121; Q 42:52.
  6. Q 6:161.
  7. Q 6:161.
  8. Siehe auch Q 60:6; Q 4:80; Q 2:64; Q 96:13; Q 53:33; Q 11:57.
  9. "Und (er lässt euch sagen:) Dies ist mein Weg (ṣirātī mustaqīman). (Er ist) gerade. Folgt ihm! Und folgt nicht den (verschiedenen anderen) Wegen, dass sie sich (nicht) mit euch teilen (und euch) von seinem Weg (wegführen)!"
  10. "Halte nun geraden Kurs [fa-staqim], wie dir befohlen worden ist." (Q 11:112)
  11. Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ Risālat al-aḫlāq. Beirut: Dār al-Ḍiyā`, 2018, S. 71.
  12. Buḫārī, 46: Maẓālim, no. 1; 81: riqāq, no. 124; Tirmiḏī, 47: Tafsīr al-qur´ān, no. 3549; Sunan Ibn Māǧa, XXXVII: Kitāb az-zuhd, no. 180.
  13. Muslim, I: Īmān, no. 362.
  14. Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ. S. 71.
  15. Ṭāšköprüzādeh, Šarḥ. S. 71.