Ṣidq (Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit): Unterschied zwischen den Versionen

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Der Begriff ''ṣidq'' stammt aus dem Arabischen und hat die Bedeutungen Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Wahrhaftigkeit.<ref>Çağrıcı, Mustafa,. „Sıdk”. ''TDV İslam Ansiklopedisi''. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2009.</ref> Al-Māwardī definiert den Begriff als „das Berichten eines Sachverhalts so wie es in Wirklichkeit ist.“<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', Beirut: Dār al-minhāǧ, 1434/2013, S. 418.</ref>  In der Hadithwissenschaft wird der Begriff „ṣadūq“ als eine Zuschreibung für die Vertrauenswürdigkeit des Überlieferer benutzt.<ref>Özel, Ahmet,. „Saduk“. ''TDV İslam Ansiklopedisi''. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2008.</ref>  Das Antonym von ''ṣidq'' ist ''kiḏb'', dass als „Lüge“, „Falschaussage“ oder „nicht vertrauenswürdig“ übersetzt werden kann.<ref>Ibn Manẓūr, ''Lisān al-ʿarab'', Kairo: Dār al-maʿārif, 2008, Bd. 4, S. 2417.</ref>  
Der Begriff ''ṣidq'' bedeutet Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Wahrhaftigkeit.<ref>Çağrıcı, Mustafa,. „Sıdk”. ''TDV İslam Ansiklopedisi''. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2009.</ref> Das Antonym von ''ṣidq'' ist ''kiḏb'', dass als „Lüge“, „Falschaussage“ oder „nicht vertrauenswürdig“ übersetzt werden kann.<ref>Ibn Manẓūr, ''Lisān al-ʿarab'', Kairo: Dār al-maʿārif, 2008, Bd. 4, S. 2417.</ref>  


== Beweggründe der Ehrlichkeit (''dawāʿī aṣ-ṣidq'') ==
== ''Ṣidq'' im Koran und Hadith ==
Māwardī untersucht in seinem Werk ''Adab ad-dunyā wa-d-dīn'' die Gründe, die den Menschen zur Ehrlichkeit bewegen. Als ersten Beweggrund wird der Verstand (''ʿaql'') genannt. Der Verstand führt zur Erkenntnis, dass das Lügen schlecht und die Ehrlichkeit gut sei. Dies wird anhand der Begründung erkannt. Das Lügen habe kein Nutzen und verhindere nicht den Schaden. Während die Ehrlichkeit den Nutzen nicht ausschließt und keinen Schaden mit sich bringt. Der Verstand bewegt den Menschen zu Taten die als gut betrachtet werden und verhindert das Begehen von schlecht angesehenen Taten.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 419.</ref> Der zweite Beweggrund ist die Religion. Die Religion gebietet die Ehrlichkeit und verbietet das Lügen. Māwardī zufolge ist es unmöglich, dass die Religion etwas erlaubt, was vom Verstand als schlecht betrachtet wird. Die Religion setzt zusätzliche Gebote. Der Verstand verbiete alles, was dem Menschen nicht nützlich sei. Das Lügen jedoch kann auch in bestimmten Fällen einen Nutzen haben. Die Religion verbietet das Lügen, auch wenn es einen Nutzen hat.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 420.</ref> Der dritte Beweggrund ist die Mannhaftigkeit (''[[Murūʾa (Ehrgefühl)|murūʾa]]''). Die Mannhaftigkeit des Menschen verhindert das Begehen von verpönten Taten. So schließt Māwardī mit dem Analogieschluss argumentum a minore ad maius (erst recht-Schluss), dass die Mannhaftigkeit „erst recht“ schlecht angesehene Taten verbietet.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 420.</ref> Der letzte Beweggrund ist die Liebe zur Berühmtheit durch Ehrlichkeit. Der Mensch neige dazu, dass seinem Wort Vertrauen geschenkt wird. Dafür ist die Ehrlich- und Vertrauenswürdigkeit eine wichtige Voraussetzung, die der Mensch versucht zu erfüllen.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 421.</ref>
 
== Ṣidq in der Hadithwissenschaft ==
 
In der Hadithwissenschaft spielt ''ṣidq'' insofern eine Rolle, als dass sein Derivat ''ṣadūq'' die allgemeine Vertrauenswürdigkeit eines Tradenten (''rāwī'') wiedergibt. Überlieferungen von Personen, die ''ṣadūq'' sind, nicht unbedingt die höchste Stufe der Authentizität; ''ṣidq'' ist auch nicht eine hohe Stufe der Vertrauenswürdigkeit. Es gibt im Grunde genommen nur wieder, dass eine grundsätzlich vertrauenswürdige Person einen Hadith tradiert, ohne eine makellose Vertrauenswürdigkeit zu attestieren. So ist es möglich, dass solche Tradenten in Überlieferungen Fehler begehen können.<ref>Özel, Ahmet,. „Saduk“. ''TDV İslam Ansiklopedisi''. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2008.</ref>
 
== ''Ṣidq'' in der adab-Literatur ==
Abū l-Ḥasan al-Māwardī (gest. 450/1058) definiert ''ṣidq'' als „das Berichten eines Sachverhalts so wie es in Wirklichkeit ist.“<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', Beirut: Dār al-minhāǧ, 1434/2013, S. 418.</ref> In seinem Werk ''Adab ad-dunyā wa-d-dīn'' untersucht er die Gründe, die den Menschen zur Ehrlichkeit bewegen (sog. ''dawāʿī aṣ-ṣidq''). Als ersten Beweggrund wird der Verstand (''ʿaql'') genannt. Der Verstand führe zur Erkenntnis, dass das Lügen schlecht und die Ehrlichkeit gut sei. Das Lügen habe kein Nutzen und verhindere nicht den Schaden, während die Ehrlichkeit den Nutzen nicht ausschließe und zu keinem Schaden führe. Der Verstand bewege den Menschen zu Taten, die als gut betrachtet würden und verhindere das Begehen von schlecht angesehenen Taten.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 419.</ref> Der zweite Beweggrund ist nach al-Māwardī die Religion. Die Religion gebiete die Ehrlichkeit und verbiete das Lügen. Es sei unmöglich, dass die Religion etwas erlaube, was vom Verstand her als schlecht betrachtet werde; die Religion setze nur zusätzliche Gebote und widerspreche der Vernunftwahrheit nicht. Der Verstand verbiete alles, was dem Menschen nicht nützlich sei. Das Lügen jedoch kann auch in bestimmten Fällen einen Nutzen haben. Die Religion verbietet das Lügen, auch wenn es einen Nutzen hat.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 420.</ref> Der dritte Beweggrund ist die Mannhaftigkeit (''[[Murūʾa (Ehrgefühl)|murūʾa]]''). Die Mannhaftigkeit des Menschen verhindere das Begehen von verpönten Taten. So schließt Māwardī mit dem Erst-recht-Argument (genauer: argumentum a minore ad maius), dass die Mannhaftigkeit „erst recht“ schlecht angesehene Taten verbietet.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 420.</ref> Der letzte Beweggrund ist die Liebe zur Berühmtheit durch Ehrlichkeit. Der Mensch neige dazu, dass seinem Wort Vertrauen geschenkt wird. Dafür sei die Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eine wichtige Voraussetzung, die der Mensch versuche zu erfüllen.<ref>al-Māwardī, ''Adab ad-dīn wa-d-dunyā'', 421.</ref>


== Autor*innen und Quellenangaben ==
== Autor*innen und Quellenangaben ==

Version vom 6. Dezember 2021, 23:01 Uhr

Der Begriff ṣidq bedeutet Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Wahrhaftigkeit.[1] Das Antonym von ṣidq ist kiḏb, dass als „Lüge“, „Falschaussage“ oder „nicht vertrauenswürdig“ übersetzt werden kann.[2]

Ṣidq im Koran und Hadith

Ṣidq in der Hadithwissenschaft

In der Hadithwissenschaft spielt ṣidq insofern eine Rolle, als dass sein Derivat ṣadūq die allgemeine Vertrauenswürdigkeit eines Tradenten (rāwī) wiedergibt. Überlieferungen von Personen, die ṣadūq sind, nicht unbedingt die höchste Stufe der Authentizität; ṣidq ist auch nicht eine hohe Stufe der Vertrauenswürdigkeit. Es gibt im Grunde genommen nur wieder, dass eine grundsätzlich vertrauenswürdige Person einen Hadith tradiert, ohne eine makellose Vertrauenswürdigkeit zu attestieren. So ist es möglich, dass solche Tradenten in Überlieferungen Fehler begehen können.[3]

Ṣidq in der adab-Literatur

Abū l-Ḥasan al-Māwardī (gest. 450/1058) definiert ṣidq als „das Berichten eines Sachverhalts so wie es in Wirklichkeit ist.“[4] In seinem Werk Adab ad-dunyā wa-d-dīn untersucht er die Gründe, die den Menschen zur Ehrlichkeit bewegen (sog. dawāʿī aṣ-ṣidq). Als ersten Beweggrund wird der Verstand (ʿaql) genannt. Der Verstand führe zur Erkenntnis, dass das Lügen schlecht und die Ehrlichkeit gut sei. Das Lügen habe kein Nutzen und verhindere nicht den Schaden, während die Ehrlichkeit den Nutzen nicht ausschließe und zu keinem Schaden führe. Der Verstand bewege den Menschen zu Taten, die als gut betrachtet würden und verhindere das Begehen von schlecht angesehenen Taten.[5] Der zweite Beweggrund ist nach al-Māwardī die Religion. Die Religion gebiete die Ehrlichkeit und verbiete das Lügen. Es sei unmöglich, dass die Religion etwas erlaube, was vom Verstand her als schlecht betrachtet werde; die Religion setze nur zusätzliche Gebote und widerspreche der Vernunftwahrheit nicht. Der Verstand verbiete alles, was dem Menschen nicht nützlich sei. Das Lügen jedoch kann auch in bestimmten Fällen einen Nutzen haben. Die Religion verbietet das Lügen, auch wenn es einen Nutzen hat.[6] Der dritte Beweggrund ist die Mannhaftigkeit (murūʾa). Die Mannhaftigkeit des Menschen verhindere das Begehen von verpönten Taten. So schließt Māwardī mit dem Erst-recht-Argument (genauer: argumentum a minore ad maius), dass die Mannhaftigkeit „erst recht“ schlecht angesehene Taten verbietet.[7] Der letzte Beweggrund ist die Liebe zur Berühmtheit durch Ehrlichkeit. Der Mensch neige dazu, dass seinem Wort Vertrauen geschenkt wird. Dafür sei die Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eine wichtige Voraussetzung, die der Mensch versuche zu erfüllen.[8]

Autor*innen und Quellenangaben

An diesem Artikel haben gearbeitet: Bahattin Akyol.

Quellen:

  1. Çağrıcı, Mustafa,. „Sıdk”. TDV İslam Ansiklopedisi. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2009.
  2. Ibn Manẓūr, Lisān al-ʿarab, Kairo: Dār al-maʿārif, 2008, Bd. 4, S. 2417.
  3. Özel, Ahmet,. „Saduk“. TDV İslam Ansiklopedisi. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2008.
  4. al-Māwardī, Adab ad-dīn wa-d-dunyā, Beirut: Dār al-minhāǧ, 1434/2013, S. 418.
  5. al-Māwardī, Adab ad-dīn wa-d-dunyā, 419.
  6. al-Māwardī, Adab ad-dīn wa-d-dunyā, 420.
  7. al-Māwardī, Adab ad-dīn wa-d-dunyā, 420.
  8. al-Māwardī, Adab ad-dīn wa-d-dunyā, 421.