Synchronisation

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Begriff


Die Segmentierung und Rückführung des Wortes "Synchronisation" auf seine altgriechische Bedeutung (σύν syn = mit / gemeinsam und χρόνος = chronos = Zeit) legt zunächst mal nahe, dass es sich bei den Termini "Synchronisation" und "Gleichzeitigkeit" um Synonyme handelt. Tatsächlich ist Gleichzeitigkeit aber etwas, dass zunächst ungesteuert und zufällig auftritt, es beschreibt eine Eigenschaft, die zwei oder mehrere Prozesse miteinander verbinden kann. Synchronisation stellt Gleichzeitigkeit her - sie ist in sich eine Technik.


Medienwissenschaftliche Perspektive


Die Synchronisation als Instrument der und für Technik ist das Bestreben, Gleichzeitigkeit kontrollierbar zu machen. Synchronisation bezeichnet das Herstellen eines Gleichlaufes mehrerer Prozesse. Notwendig wurde die Synchronisation der Uhren in erste Linie mit Erfindung der Eisenbahn. Der Versuch bestand zunächst darin, die Ortszeiten der einzelnen kleinen Ortschaften zu Ortszeiten der größeren Städte des jeweiligen Gebietes zusammenzufassen (z.B. Paris, Hamburg oder Genf). Die Synchronisation konnte aber nicht mehr gewährleistet werden, wenn in einer Stadt Eisenbahnlinien aus mehreren Städten zusammenliefen. Nicht nur aus historischer, auch aus medienarchäologischer Sicht ist interessant, dass letztendlich der Telegraph dieses Problem lösen konnte.

"Bei ausgeschlossener Selbstpräsenz ist also Synchronisation vonnöten - als Supplement einer nicht erreichbaren Gleichzeitigkeit." [1]
Die Grundvoraussetzung für die Synchronisation verschiedener Prozesse ist die Gleichsetzung ihrer zeitlichen Systeme selbst. Das klingt zunächst paradox, lässt sich aber einfach aufschlüsseln: Um den Zugverkehr zu synchronisieren und so Kollidierungen zu vermeiden und außerdem Fahrpläne erstellen zu können, ist eine Synchronisierung des "übergeordneten" zeitlichen Systems nötig: der "Weltzeit". Es müssen zum Einen die Uhren der angeschlossenen Ortschaften gleichgesetzt werden (statt zuvor mehrerer, geografisch nebeneinander liegender aber unterschiedlicher Uhrzeiten). Zum anderen müssen Zeitzonen festgelegt werden. Bei dem Hinweis auf die Zeitzonen wird auch klar, dass Synchronisation nur dort möglich ist, wo Zeit beeinflussbar ist. Die astronomische Zeit ist nicht beeinflussbar, sie vergeht einfach. Aber wir können sie mithilfe von Zeitzonen beschreiben.

Die Geschichte der kabelgebundenen Telegraphie beginnt schon Ende des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1836 konnte dann die erste betriebssichere Eisenbahnstrecke in Betrieb genommen werden. 14 Jahre später wurde das erste Seekabel von Dover nach Calais verlegt, 1858 konnte erstmalig eine stabile Verbindung von Europa nach Amerika hergestellt werden. Einige Jahre davor (1843) - weniger relevant für die Synchronisierung des Eisenbahnverkehrs dafür umso grundlegender für Kommunikationsprozesse - begann mit dem Pantelegraphen die Geschichte des Faxgeräts. Der schottische Erfinder Alexander Bain (oder im Jahr 1848 mit der Patentanmeldung von Frederick Bakewell - laut Register taucht Bain erst im Jahr 1850 auf - die Angabe, dass Bain der erste ist, ist also umstritten).[2] [3] Der Telegraph ist aus medienarchäologischer Sicht noch interessanter und brisanter als die Eisenbahn, denn er überwindet nicht nur räumliche, sondern auch zeitliche Grenzen. "Unvorstellbare Übertragungsgeschwindigkeiten in einem ausgedehnten Netzwerk von Standorten, in einer Sprache, die dem Binärcode vorausging, haben sicherlich 'Instinkt samt Intelligenz' angekündigt und das Ende der 'stofflichen Beschaffenheit' als Zeichen materieller Gegenwart nahegelegt."[4] Und diese Möglichkeit nun erlaubte es im 19. Jahrhundert die Eisenbahn ausreichend zu synchronisieren. Mittels telegraphisch ausgesandter Signale konnte ein Gleichlauf der Uhren hergestellt werden und somit auch länderübergreifend "Zeitzonen" bezeichnet werden. Diejenigen 24 Zonen, die wir heute meinen und in denen u.a. die MEZ (mitteleuropäische Zeit) festgelegt ist, ergaben sich mit der Verlängerung der Zugstrecken und wurden Ende des 19. Jahrhunderts mit eben der gleichen Methode bestimmt.

Synchronisierungsprozesse spielen vor allem im Zusammenhang mit technischen Prozeduren eine Rolle (siehe Prozessieren). Sie finden nicht gezwungenermaßen mithilfe der Uhrzeit statt. Im Computer erfolgt der zeitliche Gleichlauf durch den Taktgenerator, der die Zeit, in und mit der der Computer arbeitet, segmentiert. Im Bildtelegraphen selbst wird Synchronisation durch ein (bzw. zwei) Pendel hergestellt. Im Gegensatz zur Telegraphie, bei der sprachliche Botschaften (z.B. Morse) übertragen werden, muss hier eine möglichst exakte Kopie, eine visuelle Repräsentation des Originals von einem Telegraphen an einen anderen, räumlich entfernten Telegraphen übermittelt werden. In Synchronisationsprozessen sind kleinste Zeitteile entscheidend, sonst entstehen Verschiebungen, Verzerrungen, Störungen der Nachricht (siehe hierzu auch Fehlerhaftigkeit bedingt durch die menschliche Reaktionszeit).
Synchronisation kann nah (z.B. auf kognitiver Ebene) oder fern (z.B. auf organisatorischer/koordinierender Ebene durch den Kalender) erzeugt werden.


Artefakte


Synchronoskop; (Bild-)Telegraph; Metronom; Taktgeber; Pendel; Relais


Weiterführendes


Folgender Artikel in dem umfangreichen Sammelband "Wunschmaschine" gibt einen Überblick über die Wirksamkeit der künstlichen Intelligenz als wissenschaftliche, psychologische und kulturelle Modelle. Der Artikel tangiert medienwissenschaftliche Diskurse aus genannten Perspektiven. Hierbei ist nicht nur der Hinweis zur Synchronisation interessant, sondern auch die verknappte Historie der künstlichen Intelligenz: Timothy Druckrey: cn command, control, communication, consciousness, cognition, cybernetics, computing, cyberspace, cyborg [...]. In: Wunschmaschine - Welterfindung : eine Geschichte der Technikvisionen seit dem 18. Jahrhundert ; ein Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung. hrsg. von Felderer, Brigitte. Wien 1996. S. 222-235.

Exemplarisch um die Epistemologie eines Artefakts zu verstehen und den Zusammenhang des Phänomens der Synchronisation zum Pantelegraphen als Objekt nachzuvollziehen, empfiehlt sich folgendes Buch: Julia Zons: Casellis Pantelegraph - Geschichte eines vergessenen Mediums. Bielefeld 2015. S. 153-162.

Die Möglichkeiten der Synchronisation, die zunächstmal bedeuten, eine "natürliche" Zeit zu überwinden bzw. manipulieren zu können, und mit dem Aufbau des Eisenbahnnetzes einhergingen, riefen in der zeitgenössischen Rezeption durchaus Skepsis und Unsicherheit hervor. So ist beispielhaft Heinrich Heines Bemerkung "Durch die Eisenbahnen wird der Raum getötet, und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig. Hätten wir nur Geld genug, um auch letztere anständig zu töten!"[5] zu nennen, die er aus Paris anstellte, von wo aus er die Entwicklung der Eisenbahn verfolgte und dokumentierte. Interessant ist für uns, dass dem Überwinden der Raumunterschiede hier schon das Überwinden der Zeitunterschiede inne ist.

Textverweise


  1. Christian Kassung, Albert Kümmel: Synchronisationsprobleme. In: Signale der Störung. hrsg. von Albert Kümmel, Erhard Schüttpelz. München 2003. S. 143.
  2. Albert Kümmel-Schnur: Patente als Agenten der Mediengeschichte. In: Bildtelegraphie: Eine Mediengeschichte in Patenten (1840-1930). hrsg. von Christian Kassung, Albert Kümmel-Schnur. Bielefeld 2014. S. 20.
  3. Hierzu auch der Abschnitt: "Ein gestörtes Verhältnis: Bain und Bakewel konstruiert erstmalig ein Gerät, das Bilder übertragen kann.". Nachzulesen in: Christian Kassung, Albert Kümmel: Synchronisationsprobleme. In: Signale der Störung. hrsg. von Albert Kümmel, Erhard Schüttpelz. München 2003.
  4. Timothy Druckrey: cn command, control, communication, consciousness, cognition, cybernetics, computing, cyberspace, cyborg [...] In: Wunschmaschine - Welterfindung : eine Geschichte der Technikvisionen seit dem 18. Jahrhundert ; ein Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung. hrsg. von Brigitte Felderer. Wien 1996. S. 230.
  5. Heinrich Heine: Lutetia. Zweiter Teil. Artikel LVII. Paris, 05.05.1843. Online unter: http://www.heinrich-heine-denkmal.de/heine-texte/lutetia57.shtml. Zuletzt aufgerufen am: 27.10.2017.