Streaming

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Begriff


Das Wort "Streaming" ist aus dem Englischen übernommen worden. Dort bezeichnet es die Eigenschaft des Strömens. Es wird zur Zeit fast synonym für jeglichen Umgang mit Video- und Audiodateien im Internet verwendet. In dieser Metapher eskaliert die Problematik der ungenauen, fluiden Metaphern, die ihren Einzug schon lange in medienwissenschaftliche und informationstheoretische (vor allem populärwissenschaftliche) Diskurse gefunden haben.


Medienwissenschaftliche Perspektive


Streaming basiert immer auf einer Echtzeitkommunikation zwischen Server und Client. Dies gilt sowohl für die On-Demand Angebote wie auch für sogenannte Livestreams. Da ständig eine Verbindung zwischen Server und Client bestehen muss, ist es nicht möglich, Inhalte ohne eine Verbindung zum Server wiederzugeben. Die Kommunikation zwischen Server und Client läuft über ein oder mehrere Protokolle. Diese sind einerseits wie beim Download für die Übertragung der Video-und Audiodateien verantwortlich, gleichzeitig aber auch für eine fortlaufende Kommunikation. Es gibt immer einen Transportstream für die Mediendaten und gleichzeitig einen Kontrollstream. Da sich durch die Grundstruktur des Internets allerdings nicht gewährleisten lässt, dass alle Datenpakete immer rechtzeitig ankommen, sorgen die Protokolle für andere Lösungen. Ziel ist, die Übertragung möglichst abbruchfrei und in einer hohen Qualität zu realisieren. Hierfür habe die meisten Streaminganbieter verschiedene Qualitätsstufen des Ausgangsmaterials (und damit verbunden ein unterschiedlicher Datenaufwand) vorliegen. So können die Anbieter zwischen den verschiedenen Qualitätsstufen 'umschalten' und auf Schwankungen der Bandbreite des Users eingehen und dadurch eine unterbrechungsfreie Wiedergabe aufrecht erhalten. Unter allen Umständen soll ein Verbindungsabbruch verhindert werden. Die Kommunikation zwischen Server und Client findet immer in Echtzeit statt. Entweder ist die Quelle der Daten eine Kamera bzw. ein Bildmischer oder eine Festplatte. Bei einer Übertragung von Livematerial (dieser Begriff muss kritisch betrachtet werden, siehe hierzu: live) kommt noch erschwerend hinzu, dass das Transcoding (Transkodierung ist das Umwandeln einer Audio- oder Videodatei in ein anderes Format) in Echtzeit geschehen muss und die Übertragung der verschiedenen Qualitätsstufen extrem kompliziert ist. Generell entsteht beim Streaming keine lokale Kopie der kompletten Datei. Zwar ist es auch hier zum Beispiel durch Abfilmen möglich, eine Kopie zu erstellen, die Datei liegt allerdings nicht als Ganzes im Zwischenspeicher vor.

Schon bei der Beschreibung der Streaming-Technologie wird deutlich, warum wir von einer Streaming-Illusion[1] sprechen: Die Daten strömen und fließen weniger als sie springen, kopiert und zerhackstückelt werden. Denn die Grundlage digitaler Datenübertragung ist die Segmentierung und der getaktete Transport von Informationen. Hinter der metaphorischen Verhüllung eines Kontinuums (im Wasserstrom befindet sich ein Element zu einem Zeitpunkt a an einem definierten Punkt im Raum vor dem Zeitpunkt b) verbirgt sich die Kopie, die Diskretisierung, und Schaltung (deshalb ist der FlipFlop schon fast provokant entgegen der scheinbaren Gestalt des Streamings, hier auch als Artefakt genannt). In der digitalen Datenübertragung - also auch bei allen "Streaming"diensten - wird Ferne entfernt nicht überwunden; die Kategorie Ferne ist unerheblich; Daten werden reproduziert, nicht transportiert. Alle Daten haben eine "secondary liveness"[2], sie fließen nicht von a nach b, sondern werden zeitversetzt an einem anderen Ort als dem Speicherort möglichst identisch abgebildet.

Die Technologie an sich ist durchaus zeitkritisch: Die Zerteilungs- und Zusammensetzungsprozesse sind hochkomplex und das Ziel oder die Notwendigkeit ist es, dem Betrachter eben die Illusion des Kontinuums zu vermitteln. Die zeitliche Reihenfolge der zu übertragenden Daten und die Übertragungsgeschwindigkeit (v=s/t), die "optimiert" wird, wenn in möglichst kurzer Zeit ein möglichst großer Weg zurückgelegt wird, bestimmen den Erfolg der Bild- und Tonübertragung und somit die Funktion der gesamten Technologie. Der Eintrag von "Stream(ing)" und anderen fluiden Metaphern im Zeitlexikon gibt einen Hinweis auf den Umgang mit - im mehrfachen Sinne - zeitkritischen Begriffen in wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Kontexten. Verschleierungen und Verbergungen (Black Boxing) in dieser Form versperren den Blick auf Prozeduren verschiedener Art und müssen durch genaueres Betrachten hervorgebracht werden.


Artefakte


FlipFlop


Weiterführendes


  • Grundlagenwerk zum Verständnis der Streamingtechnologien und verwandten Verfahren: Nikolai Longolius: Web-TV / AV-Streaming im Internet - Echtzeitübertragung von Ton und Bild im Internet. Köln 2011.
  • Klaus Chantelau, René Brothuhn: Multimediale Client-Server-Systeme. Berlin/Heidelberg 2009.
  • Ein übersichtlicher Artikel zu fluiden Metaphern in der Medienwissenschaft: Ghislain Thibault: Streaming - A Media Hydrography of Televisual Flows. In: VIEW Journal of European Television History and Culture 4.7. North America: 2015.


Textverweise


  1. vgl. Ghislain Thibault. Streaming - A Media Hydrography of Televisual Flows. In: VIEW Journal of European Television History and Culture 4.7. North America: 2015.
  2. Ghislain Thibault (2015): What We Used to Call "Media History” - A Feature Interview with Wolfgang Ernst. Online unter: http://amodern.net/article/ernst-media-history/ (zuletzt aufgerufen: 20.08.2017)