Reproduktion

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Begriff


Unter Reproduktion versteht man die Vervielfältigung oder Kopie eines Gegenstandes. Reproduzierbarkeit beschreibt die Möglichkeit, eine Nachbildung, Kopie, ein weiteres Exemplar eines solchen Objektes herzustellen.


Medienwissenschaftliche Perspektive


Voraussetzung für eine solche Nachbildung und Vervielfältigung ist die Speicherung des Originals und der Kopie. Partituren und Texte waren die einzigen Zeitspeicher vor der Erfindung des Phonographen und Kinematographen. Für die herkömmlichen Speichersysteme musste der Informationsfluss zunächst "den Engpass des Signifikanten passieren"[1]. Das zu Bezeichnende, also der inhaltliche Gegenstand musste erst in das Symbolsystem eingegliedert (codiert) werden. Mit dem Beginn der neuen Technologien zur authentischen Bild- und Tonaufnahme wurde diese Schwierigkeit überwunden und so auch neue Möglichkeiten zur Reproduktion und zum Speichern geschaffen. Im Film konnte Zeit auf einmal gespeichert werden.[2]

Die technische Reproduktion von Fotografien, Schallplatten oder im klassischen Fernsehen kann gewissermaßen als Transformation von Signalen oder Spuren beschrieben werden. Bei der Fotografie trifft Licht auf lichtempfindliches Material, von dessen Negativ wiederum chemisch Abzüge, Reproduktionen gemacht werden können. Bei Tonaufnahmen werden Schallwellen in Spannungsunterschiede übersetzt oder zeichnen ihre Spuren in den Rillen der Schallplatte, deren Flanken wiederum das ursprüngliche Signal abbilden und das dann direkt oder auf elektromechanischem Weg mit anschließender elektronischer Verstärkung wieder in mechanische Schwingung an Membranen umgewandelt wird. Immer bleibt eine Spur des Originals erhalten, welches über unterschiedlichste Signalübersetzung weitergegeben wird. Zwar verlieren diese Reproduktionen im Sinne Walter Benjamins ihre Aura als „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag"[3], doch mit der technischen Reproduzierbarkeit konstituiert sich das Original erst in seiner Differenz zur Kopie. Wo die Kopie im technischen, analogen Sinn noch eine tatsächliche physikalische Spur des Originals in sich trägt, ist eine solche Kategorisierung in Original und Kopie für genuin digitale Gegenstände am Computer unsinnig. Im symbolischen Code gibt es keine materielle oder energetische Spur oder Eigenschaft, die das Original von der Kopie trennen würde. Als Unterscheidungsmerkmal dient "allein die Zeit, denn solche Daten werden im Computer einer zeitbasierten Prozessierung unterworfen. Dieser zeitkritische Zug der digitalen Signalverarbeitung aber ist im Sinne von Echtzeit vom menschlichen Sinn schon gar nicht mehr bemerkbar. Original und Kopie sind damit ununterscheidbar geworden".[4]. Es ist also nur noch am Erscheinungspunkt in der Zeit selbst abzulesen, welches das Original ist, ansonsten sind Kopie und Original nicht unterscheidbar. Anstelle der Aura tritt deren Information selbst. Für den Menschen selbst ist das Original im digital Erzeugten durch verlustfreie Digitalkopien nicht mehr zu unterscheiden.

Die digitale Reproduzierbarkeit ist daher keine weitere Fortentwicklung der technischen Reproduktion, sondern eine grundlegend anderer Gegenstand: Objekt zu Information. Statt "Reproduktionsketten" bringen gleichursprüngliche Algorithmen binäre Zeichenketten hervor. Die "Kopie" des emulierten Computerprogramms tritt als Reaktualisierung gleichursprünglich als "Wiedergeburt des Originals" auf. Dies sprengt alles historische Denken und mit ihm auch die geschichtliche Zeugenschaft sowie Originalität des Kunstwerks (in Bezug auf Benjamin). "Der Fluss der Zeit ist diskret kassiert" [5]


Artefakte


analoge Bild- und Tonträger (Film, Schallplatte etc.) und als Gegenstück Computerprogramme

Textverweise


  1. Friedrich Kittler, Grammophon, Film, Typewriter. Berlin 1986. S. 12.
  2. vgl. Mary Ann Doane, Zeitlichkeit, Speicherung, Lesbarkeit. Freud, Marey und der Film. In: Lebendige Zeit - Wissenskulturen im Werden. hrsg. von Henning Schmidgen. Berlin 2005. S. 281.
  3. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. 1936. In: Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann / Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt Suhrkamp 1974, 471-508 S.479.
  4. Wolfgang Ernst, Das klassische Original und seine Digitalisierung 2013 in www.kulturmanagement.net Nr. 84. November 2013 1610-2371 Das Monatsmagazin von Kulturmanagement Network https://www.kulturmanagement.net/frontend/media/Magazin/km1311.pdf S.26.
  5. Wolfgang Ernst, Chronopoetik S.386.