Action

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Begriff


"Action" (abgeleitet vom englischen Verb "to act"=handeln; wiederum vom lateinischen Verb "actio") bezeichnet einen zielgerichtete Tätigkeit. Und im medienwissenschaftlichen Kontext den zeitkritischen Aspekt, der genrespezifischen Computerspielen anhaftet: sie werden zum Messmedium.


Medienwissenschaftliche Perspektive


Der Begriff "Action" wird hinsichtlich seiner Attributhaftigkeit des Actionspiels betrachtet. Actionspiele sind zeitkritisch; im Gegensatz zu Adventurespielen, die entscheidungskritisch sind und Strategiespielen, die konfigurationskritisch sind. Sie fordern schnelle Reaktionen des/der Spielenden durch Bewegung (z.B. des Fingers: Tastendruck) auf Aktionen im Spielgeschehen.[1] Hier öffnet sich bereits das Paradoxon der Verwendung von "Action". Denn jede Aktion, jede Aktivität des/der Spielenden ist eben nur eine Reaktion auf das, was sich auf dem Bildschirm präsentiert. Das Genre sollte demnach "Re-actionspiele" heißen. Der Erfolg des Spielers / der Spielerin bemisst sich nach seiner / ihrer Reaktionsgeschwindigkeit.

Actionspiele leiten sich aus verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten ab. Unter anderem aus der Experimentalpsychologie. Hier ist besonders die Verbindung zur Reaktionszeit interessant. In der Einheit APM (actions per minute) wird das Reaktionsvermögen anhand der (sinnvollen/relevanten) Klickzahlen pro Minute bemessen. Die Frequenz eines Anfänger / einer Anfängerin liegt bei ca. 50 APM, ein_e Profispieler_in erreicht je nach Notwendigkeit im Spiel 300-600 APM, der Weltrekord liegt bei 818 APM[2], das sind fast 15 Klicks pro Sekunde (alle 0,07s wird geklickt). Das Klicken einer Taste als Reaktion auf einen (optischen, akustischen oder haptischen) Reiz ist ein klassisches Experiment in der Psychologie. Hier gelten 0,2 Sekunden als durchschnittliche Reaktionszeit des Menschen. Ein Profispieler hat demnach eine wesentlich kürzere Reaktionszeit als andere Menschen.

Nun wird dem Spieler / der Spielerin durch die herkömmliche Bezeichnung aber auch eine Aktivität zugesprochen, die sich auf Ebene der Zeitkritik aufschlüsselt. Denn verlässt die Argumentation die inhaltliche Ebene, also die der Spielhandlung, wird deutlich, dass der Computer auf den Menschen reagiert. Durch den enormen Geschwindigkeitsvorteil des Computers gegenüber des Menschen, die offensichtliche Asynchronität zwischen Mensch und Maschine, sind laufend Synchronisierungsprozesse erforderlich. Hier wird der Computer zum Messgerät des Nutzers / der Nutzerin. Actionspiele vermessen dabei "die Grenzwerte, Wahrnehmungsschwellen und Reaktionsgeschwindigkeiten ihrer Spieler, machen die Herausforderung des 'schnellsten anzunehmenden Benutzers' zu ihrer Devise und bestrafen Langsamkeit und Fehlverhalten durch den Verlust symbolischer Lebensenergie."[3] Die Dramatik, die das Actionspiel auf narrativer Ebene kennzeichnet, hat seinen Ursprung im Rechenakt.

"Die unsichtbaren Daten müssen visuell und akustisch für Benutzeraugen und -ohren inszeniert werden und umgekehrt müssen die analogen Signale aus der Lebenswelt des Spielers als diskrete Daten für den Rechner inszeniert werden."[4] Es findet nicht nur ein Übersetzungsprozess statt, sondern auch eine permanente Berechnung der Nutzer_inneneingaben. Hier kann man von einer Kommunikation in Echtzeit im Sinne einer vorbestimmten Zeitspanne, in der die Reaktion des Computers (Widerspiegeln der Spieler_innenaktion auf narrativer Ebene) auf die Eingabe erfolgt, gesprochen werden. Das Zeitfenster, in dem der Computer den Input verarbeitet, ist vorbestimmt - das ist die Entsprechung zur menschlichen Reaktionszeit. Diese ist beim Digitalcomputer abhängig von der Taktfrequenz im Computer und der Rechenarchitektur. Da dies gewissermaßen (mögliche Fehler ausgelassen) feste Gegebenheiten sind, ist die "Reaktionszeit" des Computers berechenbar und eine Kommunikation in Echtzeit möglich.

Im Computerspiel müssen beide Seiten der Datenproduktion, - vermittlung und -rezeption aufgedeckt und verstanden werden. Für den Menschen geschieht dies auf der Ebene des Interfaces. Tatsächlich ist die Interaktivität und Kommunikation durch die Performativität des Interfaces jedoch nur verschleiert. Die zeitkritischen Momente liegen ausschließlich auf der operativen Ebene. Aktion und Reaktion in der Spielhandlung visualisieren nur die tatsächliche Mensch-Maschine-Interaktion, den Austausch visueller, akustischer und haptischer Impulse sowie die Umwandlung der Signale in den für den jeweilig empfangenen Part verständliche Signale.

Tennis For Two auf einem DuMont Lab Oscilloscope Type 304-A

Als erstes Action- & Computerspiel kann Tennis for two im Jahr 1958 gesehen werden. Hier liegen die Geburtsstunde des Videospiels und die Grundzüge des Actionspiels. Der Grund, warum Actionspiele im Fokus medienwissenschaftlicher Betrachtungen stehen, ist schon an ihrer Herleitung (experimentalpsychologisch) deutlich geworden. Trotzdem wird auch am Beispiel von Tennis for two noch sichtbar: "Zeitkritisch ist die Interaktion im Gegenwärtigen von Actionspielen: Sie fordern Aufmerksamkeit bei der Herstellung zeitlich optimierter Selektionsketten aus einem Repertoire normierter Handlungen."[5]. Und hierin steckt nicht nur der Wesenszug des Actionspiels, sondern verbirgt sich auch die militärische Vorgeschichte. Mehr dazu im Artikel Tennis for two.


Artefakte


Tennis for two

Weiterführendes


Eine umfangreiche Analyse der zeitkritischen Aspekte von Actionspielen findet sich im zitierten Band von Claus Pias "Computer Spiel Welten".

Die Reaktionszeit der Spieler_innen steigert sich mit der Zeit, dass durch den Prozess des Trainings nicht nur die Spielerfolge sondern auch die motorischen/kognitiven Fähigkeiten verbessert werden, zeigt den Übergang eines performativen zu einem operativen Vorgang. Das deutet an dieser Stelle nur einen Ausblick auf den kybernetischen Diskurs an, in dem die Verbindung / das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine von zentraler Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang werden die Theorien von Marshall McLuhan zur "extension of man" oder Jospeh Licklider zur "man-computer-symbiosis" interessant.

Eine speziell auf die Ergodizität fokussierte Betrachtung von Actionspielen (im speziellen "Doom") liefert Espen Aarseth im Aufsatz: "Aporia and Epiphany in Doom and The Speaking Clock". In: Marie-Laure Ryan (Hg.): Cyberspace Textuality - Computer Technology and Literary Theory. Indiana 1999.

Textverweise


  1. Claus Pias: Computer Spiel Welten. Berlin/Zürich 2002. S. 4. Online unter: ftp://ftp.uni-weimar.de/pub/publications/diss/Pias/pias.pdf (zuletzt abgerufen: 01.09.2017).
  2. https://en.wikipedia.org/wiki/Actions_per_minute (zuletzt abgerufen: 01.09.2017).
  3. Pias: Computer Spiel Welten. S. 78.
  4. Claus Pias: Computerspiele. o.j. Online unter: https://www.uni-due.de/~bj0063/texte/k+u.pdf (zuletzt abgerufen: 01.09.2017).
  5. Claus Pias: Computer Spiel Welten. S. 4.