Ḫulq (Charakter, Verhalten)

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Neben Wesensart, Naturell und Charakter des Menschen kann ḫulq auch für Moral, Anstand und Sittlichkeit stehen.[1] Nach Lisān al-ʿArab bezeichnet ḫulq vielmehr die innerliche Art und Weise des Menschen, wohingegen dem mit fatḥa vokalisiertem ḫalq das äußerlich Sichtbare zugeschrieben wird.

Ḫulq in postklassischen islamisch-ethischen Werken

Naṣīr d-Dīn Ṭūsī (1201- 1274) zufolge ist ḫulq/aḫlāq eine geistige Fähigkeit (malaka), welche gewisse Handlungen ohne Bedarf an Reflektion oder Bemühung fördert. ʿAḍud d-Dīn al- Īǧī (1281- 1355) übernimmt diese Definition in seinem Risāla al-Aḫlāq, auch bekannt als Aḫlāq ʿAḍudīya. Demzufolge ist ḫulq eine Fähigkeit (malaka), wodurch vom nafs ohne jegliche Reflektion Verhalten ausgeht.[2] In Šarḥ Aḫlāq al-ʿAḍudīya bindet Ṭaškubrīzādah (1495- 1561) Īǧī`s Definiton von ḫulq erfolgreich in ein Schema menschlicher Handlungen ein. Ṭaškubrīzādah unterscheidet zunächst zwischen natürlichen Handlungen (afʿāl ṭabīʿīya), die auf gleiche Weise im Unbewusstsein erfolgen und bewusst verlaufenden Handlungen, den afʿāl nafsānīya, die in unterschiedlicher Art auftreten. Die afʿāl nafsānīya werden ebenfalls in zwei Formen unterteilt. Sind die bewusst ausgeführten Handlungen eines Menschen nicht verankert in seinem nafs, so spricht er von ḥāl, also von Vergänglichem. Wenn das nafs sich durch zählige Wiederholungen einigen Handlungen unterwirft und diese darin sesshaft werden, spricht Ṭaškubrīzādah von malaka, also von erworbenem Verhalten. Genauso wie die Aneignung nähme auch die Abgewöhnung dieses Verhaltens (malaka) Zeit in Anspruch. Schließlich könne nach Ṭaškubrīzādah von ḫulq erst dann die Rede sein, wie Īǧī zuvor erwähnte, wenn das fest verankerte Verhalten (malaka) auch ohne Zeitverzögerung und Reflektion mühelos ausgeführt wird. An dieser Stelle werden angeborene Elemente im Verhalten beachtet. Menschen hätten, abhängig vom jeweiligen Temperament (mizāǧ), von Geburt aus Neigungen zu gewissem Verhalten. Dabei stützt sich Ṭaškubrīzādah auf das von der antiken Humoralpathologie abgeleitete Persönlichkeitsmodell des Galen. Auf dieser natürlichen Basis entstehendes Verhalten wird ḫulq tabiʿī genannt. Dahingegen sei ʿada jenes Verhalten, das entgegen dem mizāǧ, durch Einübung und mit anfänglich anstrengenden Bemühungen erworben wird.[3]

Menschliches Verhalten nach Ṭaškubrīzādah.png

Dieser ontologische Diskurs menschlicher Handlungen ist Voraussetzung für die anschließende Erläuterung, welche Handlungen eines Menschen aus ethischer Perspektive relevant sind.

Autor*innen und Quellenangaben

Dieser Artikel wurde verfasst von: Fatma Akan Ayyildiz.

Quellen:

  1. Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch Für Die Schriftsprache Der Gegenwart. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 1985, S. 362.
  2. ʿAḍud d-Dīn al-Īǧī, Risāla al-aḫlāq. Bayrūt- Lubnān: Dār al-Ḍiyā`, 2018, S. 38.
  3. Ṭaškubrīzādah, Šarḥ Risāla al-aḫlāq. Bayrūt- Lubnān: Dār al-Ḍiyā`, 2018, S. 60.