Raḏīla (Laster, Verworfenheit)

Aus Wege zu einer Ethik

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Raḏīla (Pl. raḏāʾil) gehört zu den ethischen Grundbegriffen und heißt „Laster“ oder „Verworfenheit“,[1] als Gegensatz zu faḍīla (Pl. faḍāʾil), also der "Tugend".[2] Dabei bezieht sich die Grundform raḏl auf etwas, was aufgrund seiner Schlechtigkeit (radāʾa) verabscheut wird.[3] Raḏl wird gebraucht um äußerlich und innerlich das niedrigste Niveau am Menschen zu beschreiben.[4]

Koran

Im Koran kommt der Begriff an drei Stellen im Superlativ vor: „Unter euch gibt es welche, die in das erbärmlichste Alter (arḏal al-ʿumr) gebracht werden“ (Sure 16:70); „Dir folgen nur unsere Niedrigsten“ (Sure 11: 27) und „Sollen wir dir glauben, wo dir doch die Niedrigsten (al-arḏalūn)[5] Gefolgschaft leisten?“ (Sure 26:111).[6] In all diesen Passagen geben Derivate des Wortes raḏl einen negativen, abscheulichen Zustand wieder.

Ethik

Im Ethikkonzept von ʿAḍud ad-Dīn al-Īǧī (gest. 756/1355) beschreibt raḏīla vom rechten Maße (iʿtidāl) abweichende, verworfene und unehrenhafte Handlungen des Menschen und wird synonym mit ṭaraf (Pl. aṭrāf) verwendet. Diese Laster sind gekennzeichnet durch Mangel oder Übermaß der einzelnen Seelenstärken und somit der Verhaltensweise. Da zu jeder der drei Tugenden (faḍīla) jeweils zwei Extreme zugeordnet werden, sind laut al-Īǧī die Laster sechs in der Zahl: Diese sind Torheit (al-ǧarbaza) und Naivität (al-ġabāwa) in Bezug auf die Abweichung zur Weisheit (ḥikma); Leichtfertigkeit (at-tahawwur) und Zurückhaltung (al-ǧubn) in Bezug auf Tapferkeit (šaǧaʿa) sowie Zügellosigkeit (al-fuǧūr) und Regungslosigkeit (al-ǧumūd) in Bezug auf die Enthaltsamkeit (ʿiffa).[7]

Autor*innen und Quellenangaben

Dieser Artikel wurde verfasst von: Fatma Akan Ayyıldız.

Quellen:

  1. Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch Für Die Schriftsprache Der Gegenwart, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag (1985), S. 466
  2. Ibn Manẓūr, Lisān al-ʿArab, Qum: Našr Adab al-Ḥawza (1984), XI: 281.
  3. al-marġūb ʿanhu li-radāʾatihi; ar-Rāġib al-Iṣfahānī, al-Mufradāt fī ġarīb al-Qurʾān, Beirut: Dār al-Maʿrifa (o.J.), S. 194
  4. Lisān al-ʿArab, XI: 280.
  5. arḏalūn ist die Pluralform von arḏal; al-Iṣfahānī, al-Mufradāt, S. 194; Vgl. Lisān al-ʿArab, XI: 280.
  6. al-Iṣfahānī, al-Mufradāt, S. 194.
  7. Aḍud ad-Dīn al-Īǧī, Risālat al-Aḫlāq (Ed. Ṣalāḥ al-Hudhud), in Risālat al-aḫlāq wa šarḥuhā li-l-ʿAllāma Ṭāšköprüzādeh, Beirut- Libanon: Dār aḍ-Ḍiyāʾ (2018), S. 38.