Nahy (Untersagung, Verbieten): Unterschied zwischen den Versionen

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Der Begriff ''nahy'' wird mit „Untersagung“ oder „Verbot“<ref>In diesem Artikel wird für den Begriff ''nahy'' „Untersagung“ als Übersetzung genutzt.</ref>  übersetzt. Der Begriff ''nahy'' stellt einen Gegensatz zu dem Begriff ''[[Amr („Imperativ“, „Gebieten“)|amr]]'' dar, der unter anderem als „Imperativ“ oder „Befehl“ übersetzt wird.<ref>Interessant hierbei ist der Begriff ''an-nahy wa-l-amri'' – die „unumschränkte Gewalt“, die „Befehlsgewalt“.</ref>
Der Begriff ''nahy'' wird mit „Untersagung“ oder „Verbot“<ref>In diesem Artikel wird für den Begriff ''nahy'' „Untersagung“ als Übersetzung genutzt.</ref>  übersetzt. Der Begriff ''nahy'' stellt einen Gegensatz zu dem Begriff ''[[Amr („Imperativ“, „Gebieten“)|amr]]'' dar, der unter anderem als „Imperativ“ oder „Befehl“ übersetzt wird.<ref>Interessant hierbei ist der Begriff ''an-nahy wa-l-amri'' – die „unumschränkte Gewalt“, die „Befehlsgewalt“.</ref>


Abū l-Muẓaffar Manṣūr b. Muḥammad b. as-Samʿānī (gest. 1095) setzt sich in seinem Werk ''Qawātiʿ al-adilla fī l-uṣūl'' ausführlich mit dem Begriff des ''nahy'' auseinander. Er definiert ''nahy'' – die Untersagung – als das Verlangen (''istidʿāʾ'', pl. ''istidʿāʾāt'') der Unterlassung (''tark'', pl. ''tarkūn'') der Handlung (''fiʿl'', pl. ''afʿāl'', ''fiʿāl''), und zwar durch die Äußerung an denjenigen, der hierarchisch unter demjenigen stehe, der das Unterlassen der Handlung verlange. <ref>''Ḥaqīqati n-nahy fa-huwa stidʿāu l-fiʿli bi-l-qawli miman huwa dūnahu'', siehe as-Samʿānī, ''Qawātiʿ'', S. 100.</ref>Dies geschehe durch einen verneinten Imperativ, so As-Samʿānī.<ref>''Huwa qawlu l-qāʾili li-ġayrihi: lā tafʿal'', siehe as-Samʿānī, ''Qawātiʿ'', S. 100.</ref>
Abū l-Muẓaffar Manṣūr b. Muḥammad b. as-Samʿānī (gest. 1095) setzt sich in seinem Werk ''Qawāṭiʿ al-adilla fī l-uṣūl'' ausführlich mit dem Begriff des ''nahy'' auseinander. Er definiert ''nahy'' – die Untersagung – als das Verlangen (''istidʿāʾ'', pl. ''istidʿāʾāt'') der Unterlassung (''tark'', pl. ''tarkūn'') der Handlung (''fiʿl'', pl. ''afʿāl'', ''fiʿāl''), und zwar durch die Äußerung an denjenigen, der hierarchisch unter demjenigen stehe, der das Unterlassen der Handlung verlange. <ref>''Ḥaqīqati n-nahy fa-huwa stidʿāu l-fiʿli bi-l-qawli miman huwa dūnahu'', siehe as-Samʿānī, ''Qawāṭiʿ'', S. 100.</ref>Dies geschehe durch einen verneinten Imperativ, so As-Samʿānī.<ref>''Huwa qawlu l-qāʾili li-ġayrihi: lā tafʿal'', siehe as-Samʿānī, ''Qawāṭiʿ'', S. 100.</ref>


As-Samʿānī ist der Meinung, dass alleine die Formulierung (''ṣīġa'', pl. ''ṣiyaġ'') der Untersagung für das Verbot (''taḥrīm'') notwendig sei.<ref>''Wa-ṣīġatu n-nahy muqtaḍīyatu li-l-taḥrīmi'', siehe as-Samʿānī, ''Qawātiʿ'', S. 100.</ref> So bedeute also alleine die Formulierung einer Untersagung ein Verbot. Die Ansicht as-Samʿānīs steht im Gegensatz zur muʿtazilitischen Vorstellung, bei der ein Beweis bzw. ein Hinweis (''dalīl'', pl. ''adilla'', dalāʾil) für die Forderung eines Verbots benötigt wird und bei der der Beweis bzw. der Hinweis für ein Verbot entscheidend ist.<ref>As-Samʿānī, ''Qawātiʿ'', S. 100.</ref>
As-Samʿānī ist der Meinung, dass alleine die Formulierung (''ṣīġa'', pl. ''ṣiyaġ'') der Untersagung für das Verbot (''taḥrīm'') notwendig sei.<ref>''Wa-ṣīġatu n-nahy muqtaḍīyatu li-l-taḥrīmi'', siehe as-Samʿānī, ''Qawāṭiʿ'', S. 100.</ref> So bedeute also alleine die Formulierung einer Untersagung ein Verbot. Die Ansicht as-Samʿānīs steht im Gegensatz zur muʿtazilitischen Vorstellung, bei der ein Beweis bzw. ein Hinweis (''dalīl'', pl. ''adilla'', dalāʾil) für die Forderung eines Verbots benötigt wird und bei der der Beweis bzw. der Hinweis für ein Verbot entscheidend ist.<ref>As-Samʿānī, ''Qawāṭiʿ'', S. 100.</ref>


As-Samʿānī schreibt, die Äußerung einer Person mit den Worten „Mach das nicht!“ an eine andere Person verlange ganz gewiss die Forderung (''ṭalab'', pl. ''ṭalabāt'') der Unterlassung (''tark'') der Handlung (''fiʿl'', pl. ''afʿāl'', ''fiʿāl''), ebenso wie die Äußerung einer Person mit den Worten „Mach das!“ ganz gewiss die Forderung der Handlung verlange.<ref>''Lā tafʿal yaqtaḍī ṭalaba tarki l-fiʿli lā maḥālata'' [...] ''ifʿal yaqtaḍī ṭalaba l-fiʿli lā maḥālata'', siehe as-Samʿānī, ''Qawātiʿ'', S. 100.</ref> As-Samʿānī zufolge ist die Forderung der Handlung eine Verpflichtung (''īǧāb''), wie er bereits in seiner Diskussion zu dem Begriff des Imperativs (''amr'') darstellte. Und so verlange die Forderung der Unterlassung der Handlung das Verbot.<ref>''Fa-ṭalabu tarki l- l-fiʿli lā maḥālata yaqtaḍī taḥrīma'', siehe as-Samʿānī, ''Qawātiʿ'', S. 100.</ref>
As-Samʿānī schreibt, die Äußerung einer Person mit den Worten „Mach das nicht!“ an eine andere Person verlange ganz gewiss die Forderung (''ṭalab'', pl. ''ṭalabāt'') der Unterlassung (''tark'') der Handlung (''fiʿl'', pl. ''afʿāl'', ''fiʿāl''), ebenso wie die Äußerung einer Person mit den Worten „Mach das!“ ganz gewiss die Forderung der Handlung verlange.<ref>''Lā tafʿal yaqtaḍī ṭalaba tarki l-fiʿli lā maḥālata'' [...] ''ifʿal yaqtaḍī ṭalaba l-fiʿli lā maḥālata'', siehe as-Samʿānī, ''Qawāṭiʿ'', S. 100.</ref> As-Samʿānī zufolge ist die Forderung der Handlung eine Verpflichtung (''īǧāb''), wie er bereits in seiner Diskussion zu dem Begriff des Imperativs (''amr'') darstellte. Und so verlange die Forderung der Unterlassung der Handlung das Verbot.<ref>''Fa-ṭalabu tarki l- l-fiʿli lā maḥālata yaqtaḍī taḥrīma'', siehe as-Samʿānī, ''Qawāṭiʿ'', S. 100.</ref>


In einer rationalen Argumentation weist as-Samʿānī auf das Verhältnis von einem Sklaven zu seinem Herrn hin. Wenn ein Herr seinem Sklaven befehle, etwas nicht zu tun, der Sklave diese Handlung aber dennoch ausführe, so verdiene der Sklave Missbilligung (''ḏamm'') und Tadel (''tawbīḫ''). Hätte der Herr jedoch kein Verbot gefordert, verdiene der Sklave für seine Handlung keinen Tadel und keine Missbilligung.<ref>As-Samʿānī, ''Qawātiʿ'', S. 100.</ref>
In einer rationalen Argumentation weist as-Samʿānī auf das Verhältnis von einem Sklaven zu seinem Herrn hin. Wenn ein Herr seinem Sklaven befehle, etwas nicht zu tun, der Sklave diese Handlung aber dennoch ausführe, so verdiene der Sklave Missbilligung (''ḏamm'') und Tadel (''tawbīḫ''). Hätte der Herr jedoch kein Verbot gefordert, verdiene der Sklave für seine Handlung keinen Tadel und keine Missbilligung.<ref>As-Samʿānī, ''Qawāṭiʿ'', S. 100.</ref>


Anzumerken ist, dass as-Samʿānī in dem Textabschnitt, in dem er den Begriff ''nahy'' diskutiert, keine koranischen Beispiele anführt, ganz im Gegensatz dazu, wie er dies in seiner Diskussion zu dem Begriff ''amr'' tat.
Anzumerken ist, dass as-Samʿānī in dem Textabschnitt, in dem er den Begriff ''nahy'' diskutiert, keine koranischen Beispiele anführt, ganz im Gegensatz dazu, wie er dies in seiner Diskussion zu dem Begriff ''amr'' tat.

Version vom 13. November 2020, 09:26 Uhr

Der Begriff nahy wird mit „Untersagung“ oder „Verbot“[1] übersetzt. Der Begriff nahy stellt einen Gegensatz zu dem Begriff amr dar, der unter anderem als „Imperativ“ oder „Befehl“ übersetzt wird.[2]

Abū l-Muẓaffar Manṣūr b. Muḥammad b. as-Samʿānī (gest. 1095) setzt sich in seinem Werk Qawāṭiʿ al-adilla fī l-uṣūl ausführlich mit dem Begriff des nahy auseinander. Er definiert nahy – die Untersagung – als das Verlangen (istidʿāʾ, pl. istidʿāʾāt) der Unterlassung (tark, pl. tarkūn) der Handlung (fiʿl, pl. afʿāl, fiʿāl), und zwar durch die Äußerung an denjenigen, der hierarchisch unter demjenigen stehe, der das Unterlassen der Handlung verlange. [3]Dies geschehe durch einen verneinten Imperativ, so As-Samʿānī.[4]

As-Samʿānī ist der Meinung, dass alleine die Formulierung (ṣīġa, pl. ṣiyaġ) der Untersagung für das Verbot (taḥrīm) notwendig sei.[5] So bedeute also alleine die Formulierung einer Untersagung ein Verbot. Die Ansicht as-Samʿānīs steht im Gegensatz zur muʿtazilitischen Vorstellung, bei der ein Beweis bzw. ein Hinweis (dalīl, pl. adilla, dalāʾil) für die Forderung eines Verbots benötigt wird und bei der der Beweis bzw. der Hinweis für ein Verbot entscheidend ist.[6]

As-Samʿānī schreibt, die Äußerung einer Person mit den Worten „Mach das nicht!“ an eine andere Person verlange ganz gewiss die Forderung (ṭalab, pl. ṭalabāt) der Unterlassung (tark) der Handlung (fiʿl, pl. afʿāl, fiʿāl), ebenso wie die Äußerung einer Person mit den Worten „Mach das!“ ganz gewiss die Forderung der Handlung verlange.[7] As-Samʿānī zufolge ist die Forderung der Handlung eine Verpflichtung (īǧāb), wie er bereits in seiner Diskussion zu dem Begriff des Imperativs (amr) darstellte. Und so verlange die Forderung der Unterlassung der Handlung das Verbot.[8]

In einer rationalen Argumentation weist as-Samʿānī auf das Verhältnis von einem Sklaven zu seinem Herrn hin. Wenn ein Herr seinem Sklaven befehle, etwas nicht zu tun, der Sklave diese Handlung aber dennoch ausführe, so verdiene der Sklave Missbilligung (ḏamm) und Tadel (tawbīḫ). Hätte der Herr jedoch kein Verbot gefordert, verdiene der Sklave für seine Handlung keinen Tadel und keine Missbilligung.[9]

Anzumerken ist, dass as-Samʿānī in dem Textabschnitt, in dem er den Begriff nahy diskutiert, keine koranischen Beispiele anführt, ganz im Gegensatz dazu, wie er dies in seiner Diskussion zu dem Begriff amr tat.


Autor*innen und Quellenangaben

Dieser Artikel wurde verfasst von: Selma Schwarz

  1. In diesem Artikel wird für den Begriff nahy „Untersagung“ als Übersetzung genutzt.
  2. Interessant hierbei ist der Begriff an-nahy wa-l-amri – die „unumschränkte Gewalt“, die „Befehlsgewalt“.
  3. Ḥaqīqati n-nahy fa-huwa stidʿāu l-fiʿli bi-l-qawli miman huwa dūnahu, siehe as-Samʿānī, Qawāṭiʿ, S. 100.
  4. Huwa qawlu l-qāʾili li-ġayrihi: lā tafʿal, siehe as-Samʿānī, Qawāṭiʿ, S. 100.
  5. Wa-ṣīġatu n-nahy muqtaḍīyatu li-l-taḥrīmi, siehe as-Samʿānī, Qawāṭiʿ, S. 100.
  6. As-Samʿānī, Qawāṭiʿ, S. 100.
  7. Lā tafʿal yaqtaḍī ṭalaba tarki l-fiʿli lā maḥālata [...] ifʿal yaqtaḍī ṭalaba l-fiʿli lā maḥālata, siehe as-Samʿānī, Qawāṭiʿ, S. 100.
  8. Fa-ṭalabu tarki l- l-fiʿli lā maḥālata yaqtaḍī taḥrīma, siehe as-Samʿānī, Qawāṭiʿ, S. 100.
  9. As-Samʿānī, Qawāṭiʿ, S. 100.