ʿiffa (Enthaltsamkeit, Keuschheit)

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Der Begriff ʿiffa bedeutet "Enthaltsamkeit" oder "Keuschheit".[1] In der islamischen Tradition ist dieser Begriff ethisch konnotiert. Er beschreibt nicht eine generelle sexuelle Abstinenz, sondern eine Enthaltsamkeit von sexuellen Aktivitäten, die durch religiöse Normen verboten wurden, wie z.B. unehelicher Geschlechtsverkehr (zinā). ʿIffa wird allgemein als "der mittlere Zustand der Triebkräfte zwischen der [sexuellen] Sündhaftigkeit und Abstinenz" definiert.[2] Als al-ʿafīf wird die Person bezeichnet, die ihre "Angelegenheiten gemäß der Offenbarung und murūʾa (Mannhaftigkeit) regelt."[3]

Koran und Hadith

Auch wenn das Wort ʿiffa selbst im Koran nicht vorkommt, werden in vier Versen dessen Derivate gebraucht. In Q 2:273 werden die Armen beschrieben, welche nicht betteln und sich zurückhalten (hier: taʿaffuf, Zurückhaltung). In Q 24:33 werden die Personen beschrieben, die es sich nicht leisten können zu heiraten: Sie "sollen so lange Enthaltsamkeit üben bis Gott sie durch seine Huld reich macht". In Q 4:6 wird auf den Umgang mit dem anvertrauten Vermögen der Weisen verwiesen: Die reichen, die das Vermögen der Waisen verwalten, sollen enthaltsam sein. In Q 24:60 wird die Kleidervorschrift für alte Frauen abgemildert, jedoch empfohlen, auf diese Milderung zu verzichten, was wieder mit Derivaten von ʿiffa widergegeben wird (wörtl. wa-ʾan yastaʿfifna ḫairun lahunna).

Aus der Hadithliteratur ist bekannt, dass der Prophet es pflegte, in seinen Bittgebeten um Keuschheit zu bitten, wie z.B. "Mein Herr! Ich bitte dich um Rechtleitung, Ehrfurcht und Keuschheit".[4] Es heißt auch, dass Gott den Armen liebe, der trotz seiner Bedürftigkeit versucht seine ʿiffa zu wahren. In einem weiteren Hadith wird erwähnt, dass Moses viele Jahre beim Propheten Šuʿayb gearbeitet und stetig seine Keuschheit bewahrt hätte.[5]

Aḫlāq-Adab-Tradition

In vielen Werken zur Aḫlāq-Adab-Tradition wird ʿiffa als Befreiung des Menschen beschrieben. Denn wer frei sein will, müsse sich von dem Druck seiner Begierden lösen.[6]

Abū l-Ḥasan al-Māwardī (gest. 450/1058) unterteilt ʿiffa in zwei Arten: 1. Enthaltsamkeit von Verbotenem (maḥārim) und 2. Enthaltsamkeit von Sünden (maʾāṯim). Die Enthaltsamkeit von Verbotenem teilt er ebenfalls in zwei Arten auf: a) Die Enthaltsamkeit des Geschlechtsorgans und b) Die Enthaltsamkeit der Zunge.[7] Die Enthaltsamkeit von Sünden hat ebenfalls zwei Arten: a) Das Unterlassen von öffentlicher Unterdrückung und b) Das Abhalten der Seele von heimlichen bzw. innerlichen Verratsgedanken.[8]

Literatur

Quellenangaben

  • Aḥmad b. Ḥanbal, Musnad.
  • Çağrıcı, Mustafa. „Iffet“. TDV İslam Ansiklopedisi. Istanbul: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, 2000.
  • Al-Ǧurǧāni. at-Taʿrīfāt. Kairo: Dār al-faḑīla.
  • Al-Māwardī. Adab ad-dīn wa-d-dunyā,Beirut. Dār al-minhāǧ, 1434/2013.
  • Wehr, Hans. Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Arabisch–Deutsch. Wiesbaden: Harrassowitz, 1985.

Autor*innen und Referenzen

Dieser Artikel wurde verfasst von: Bahattin Akyol.

Quellen:

  1. Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Arabisch–Deutsch, 853.
  2. Ǧurǧāni, at-Taʿrīfāt, 127.
  3. Ǧurǧāni, at-Taʿrīfāt, 127.
  4. Aḥmad b. Ḥanbal, Musnad, I, 389, 439
  5. Çağrıcı, „Iffet“.
  6. Çağrıcı, „Iffet“.
  7. Al-Māwardī, Adab ad-dīn wa-d-dunyā, 520.
  8. Al-Māwardī, Adab ad-dīn wa-d-dunyā, 525.