§74

Aus Hieroglyphisch-Ägyptische Grammatik

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Sonderformen de-präpositionaler Nisben

(1) Für einige de-präpositionale Nisben gibt es Sonderschreibungen.

Präpositions-
bedeutung
Präposition
vor Substantiv
Präposition vor
Personalpronomen
Schreibung
des Adverbs
Schreibung
der Nisbe
in; von; als; mittels;
usw.
𓅓 m 𓅓, (𓇋𓅓) m⸗ 𓇋𓅓 jm 𓇋𓏶𓅓, 𓏶 jm(.ï)
‘in (dem Haus)’ ‘in (ihm)’ ‘darin’ ‘der in (ihm/dem Haus) ist’
an; zu, bezüglich 𓂋 r 𓂋, (𓇋𓂋) r⸗ 𓇋𓂋𓏭 jr.ï 𓇋𓂋; 𓇋𓂋𓀸, 𓇋𓂋𓀹 jr(.ï); jr.ï
(oben) auf; zuvorderst 𓁶‌𓏤 dp 𓁶‌𓏤, 𓁶‌𓊪 dp⸗ (kein Beleg) 𓁶‌𓊪; 𓌐𓊪 dp(.ï); dp.ï
auf, über; bei; wegen 𓁷‌𓏤 ḥr 𓁷‌𓏤, 𓁷𓂋 ḥr⸗ (kein Beleg) 𓁷𓂋, 𓁷𓂋𓇯 ḥr(.ï)
unter; tragend; mit 𓌨𓂋 ẖr 𓌨𓂋 ẖr⸗ 𓌨𓂋𓏭 ẖr.ï 𓌨𓂋 ẖr(.ï)

Hervorzuheben sind hier die Signalwirkung der Zeichen 𓏶 jm und 𓌐 dp.ï, sowie des Phono-Repeaters (§13) 𓀸 / 𓀹 / 𓀺 jr.ï. (Zur Erinnerung: Die Präposition bzw. Nisbe dp/dp.ï wurde traditionell tp/tp.ï gelesen; §19.)


(2) Auch von sog. „zusammengesetzten“ Präpositionen wie 𓁷𓏤𓄣𓏤 ḥr-jb ‘innerhalb, inmitten (wörtl. beim Herz)’, 𓁷𓏤𓁶𓏤 ḥr-dp ‘oben auf, über (wörtl. auf/über dem Kopf)’ oder 𓁶𓏤𓂝𓅱𓏭 dp-ꜥ(w).wï bzw. 𓁶𓏤‌𓂝𓏤 dp-ꜥ(w) ‘vor (wörtl. *zuvorderst der Arme/des Arms)’ können Nisben gebildet werden, z.B. 𓁷𓂋𓁶𓏤 / 𓁷𓂋𓏭𓁶𓏤 ḥr.ï-dp ‘Oberhaupt’. Das Nisbe-Morphem tritt dann nicht etwa an die ganze Phrase (**ḥr-jb), sondern an die Präposition (ḥr-jb). Die traditionelle ägyptologische Praxis hier aufgrund einer engen semantischen Verbindung einen Bindestrich einzufügen (vgl. §4), führt in diesen Fällen leider potentiell in die Irre. In der Tat sind zusammengesetzte Präpositionen nur semantisch kompakt, bestehen grammatisch aber doch aus zwei selbständigen Elementen.

Zur Verwirrung trägt hier bei, dass gerade bei zwei der drei oben genannten Fällen Schreibungen belegt sind, in denen die zu erwartende Schreibreihenfolge zugunsten eines optisch ansprechenderen Schriftbildes umgestellt wurde: z.B. 𓁷𓄣𓅱 statt 𓁷𓅱𓄣 / 𓁷𓂋𓅱𓄣𓏤 für ḥr.(ï)w-jb ‘(die) innerhalb, (die) inmitten’, 𓁷𓄣𓏏 statt 𓁷𓏏𓄣 / 𓁷𓂋𓏏𓄣 ḥr.(ï)t-jb ‘(die) innerhalb, (die) inmitten’. In einem späteren Stadium der Sprachgeschichte sind solche zusammengesetzten Präpositionen teils schon zu einem einzigen Wort geworden („univerbiert“). Denn hier treten auch Formen mit der Nisbe-Endung am Ende auf, so etwa ḥr.dp im Neuen Reich.


(3) Hervorzuheben ist noch die Nisbe 𓏶𓂋𓏤 jm(.ï)-rʾ ‘Vorsteher’, die so gut wie immer einfach 𓅓‌𓂋 / 𓅓𓂋 (j)m(.ï)-rʾ oder aber „aenigmatisch“, d.h. spielerisch-rätselhaft, mit der Rinderzunge 𓄓 geschrieben wird. Letztere Schreibung beruht auf einem Wortspiel. Die Phrase jm.ï rʾ kann auch ‘der/die im Mund ist’ bedeuten und als Hinweis auf die Zunge verstanden werden (die ‘Zunge’ ns hat im Ägyptischen maskulines Genus). Traditionell wird die Bedeutung ‘Vorsteher’ so erklärt, dass jm.ï rʾ ursprünglich nicht ‘der im Mund ist’, sondern ‘in dem der „Mund“ ist’, metonymisch: ‘in dem der (Aus)spruch ist’ bedeuten würde (sog. „umgekehrte Nisbe“). Ich habe jedoch vorgeschlagen, keine „umgekehrte Nisbe“ anzunehmen, sondern eine „normale“ Nisbe auf Grundlage der Bedeutung ‘als (fungierend)’, die die Präposition m auch haben kann, konkreter: eine Nisbe mit der ursprünglichen Bedeutung ‘der als „Mund“ (fungiert)’, metonymisch für ‘der als Sprecher (fungiert)’, anzunehmen (Werning 2014c: 148, Fn. 113).

Literaturhinweise

Allen (²2010: ch. 8.6–9, 15); Schenkel (⁵2012: Kap. 5.1.1.1c, 5.2.4); Werning (2011, I: §§36, 42, 44–46)

Siehe Bibliographie (teilweise mit Links zu online verfügbaren Werken).


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Daniel A. Werning. 26.7.2018. "§74", Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache, Humboldt-Universität zu Berlin, http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4?urlappend=index.php?title=%C2%A774%26oldid=696 (Zugriff: 21.11.2024).

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