Quelltext der Seite §62

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==Substantive und Pronomina als Prädikat: „Nominalsätze“==

====(1) Begriffsbestimmung und Bedeutung====

Neben Verben ([[§34]]–[[§46]]), Adverbialphrasen (Präposition+Substantiv oder Adverb; [[§49]]–[[§50]]) und Adjektiven ([[§57]]), können auch <b>Substantive</b> wie ‘Gott’ <b>als ein Satzprädikat fungieren</b>. Im Deutschen ist dabei immer eine Form des Hilfsverbs ‘sein’ nötig, z.B. <i>Du</i><b> <i>bist</i></b> <i>ein Gott</i>. Anders als im Deutschen, ist im Ägyptischen – wie in vielen anderen Sprachen der Welt – <b>kein Hilfsverb ‘sein’ nötig</b>. Diese Sätze werden üblicherweise als „Nominalsätze“, das Prädikatssubstantiv als „Prädikatsnomen“ bezeichnet. 

	Nominalsätze machen <b>Identität</b>saussagen (z.B. ‘Re <b>ist der</b> Herr des Himmels’) oder <b>Kategorisierung</b>saussagen (z.B. ‘Re <b>ist ein</b> Gott’). Die Zeitlage ist unmarkiert und wird aus dem Kontext erschlossen. 



====(2) Konstruktionen und Gebrauch====

Für pronominale Prädikatsnomen oder Subjekte (dtsch. ‘<b>Du</b> bist ein Gott.’, ‘Der Dieb bist <b><u>du</u></b>.’) werden die Selbständigen Personalpronomina ({{U|jnk}}, {{U|ntk}}, {{U|ntṯ}}, …; [[§61]]) genutzt. Im Kern sind drei Nominalsatzmuster zu unterscheiden:

a) Die zwei beteiligten Substantive können in bestimmten Fällen (dazu unten [[§63]]) einfach direkt hintereinander gestellt werden, z.B.: 

:{| {{NoBorderTable}}
| {{H|𓏌𓎡𓇳𓏤𓀭}}   || {{U|jnk Rꜥ(w)}}    || ‘<b>Ich</b> bin <b>Re</b>’,  || 
|-
| {{H|𓇓𓅱&zwnj;𓏏&zwnj;}} {{H|𓇳𓏤𓀭}}   || {{U|swt Rꜥ(w)}}    || ‘<b>Er</b> ist <b>Re</b>’,  || 
|-
| {{H|𓊽𓊽𓇋𓏛𓀀}} {{H|𓂋𓈖&zwnj;𓆑}}   || {{U|Ḏdj rn⸗f}}    || ‘<b>Djedi</b> war <b>sein Name</b>’,  || {{Ref|(Schenkel 2012: 150)}}
|-
| {{H|𓅓&zwnj;𓂝𓎡𓏏𓏛𓏏𓅓&zwnj;𓂝𓎡𓏏𓏛𓂋𓂝𓇳𓀭}}  || {{U|mk.t⸗ṯ  mk.t-Rꜥ(w)}}  || ‘<b>Dein Schutz</b> ist <b>der Schutz des Re</b>’. || {{Ref|(Allen 2010: 74)}}
|}

In diesen Fällen spricht man von <b>„Zweigliedrigen Nominalsätzen“</b>. 

Bei den zwei anderen Satzmustern kommt ein unveränderliches <b>Hilfsdemonstrativum</b> {{H|𓊪𓅱}} {{U|<b>pw</b>}} zum Einsatz (demonstrativische „Kopula“): 


b) Im ersten der zwei Satzmuster ist dies, je nach Kontext, im Deutschen mit einem unspezifischen <b>‘das’ oder ‘es’</b> oder mit einem unbetonten Personalpronomen ‘er, sie, es (Singular); sie (Plural)’ zu übersetzen, z.B.:

:{| {{NoBorderTable}}
| {{H|𓐍𓆑𓏏𓏭𓀐}} {{H|𓊪𓅱}}  || {{U| ḫftï  <b>pw</b>}}    || ‘<b>Das/Es/Er</b> ist ein Feind’ (entsprechende Frage: ‘Wer ist er/das?’),
|-
| {{H|𓎟𓊪𓏏𓇯𓊪𓅱}}   || {{U|nb-p.t  <b>pw</b>}}  || ‘<b>Das/Es/Er</b> ist der Herr des Himmels’,
|-
| {{H|𓏌𓏏𓇯𓊪𓅱}}   || {{U|Nw.t  <b>pw</b>}}  || ‘<b>Das/Es/Sie</b> ist Nut’ (entsprechende Frage: ‘Wer ist sie/das?’),
|-
| {{H|𓌢&zwnj;𓈖𓏌𓅱𓀀𓏥𓋴}}  {{H|𓊪𓅱}}  || {{U|sn.w⸗s  <b>pw</b>}}    || ‘<b>Das/Es/Sie</b> sind ihre Brüder’ (entspr. Frage: ‘Wer sind sie/die?’).
|}

Dieser spezielle Zweigliedrige Nominalsatz wird auch als <b>„{{U|pw-}}Satz“</b> bezeichnet. 


c) Dasselbe unveränderliche Hilfsdemonstrativum {{H|𓊪𓅱}} {{U|pw}} taucht ebenfalls in den meisten anderen Nominalsätzen auf, in denen zwei verschiedene Substantive Subjekt und Prädikatsnomen bilden. In diesen Nominalsätzen bleibt das <b>Hilfsdemonstrativum effektiv unübersetzt</b>., z.B.: 

:{| {{NoBorderTable}}
| {{H|𓊪𓄡𓂋𓏏𓄴𓏸𓊪𓅱𓋹𓈖𓐍}} || {{U|pẖr.t  <b>pw</b>  ꜥnḫ}} || ‘Das Leben ist ein Kreislauf’. || {{Ref|(Allen 2010: 74)}}
|}

In diesen Fällen spricht man von <b>„Dreigliedrigen Nominalsätzen“</b>. 

	Man bemerke, dass das Hilfsdemonstrativum <b>{{U|pw}} im Mittelägyptischen</b> – anders als das normale attributiv gebrauchte Demonstrativum {{U|pw}}/{{U|tw}}/{{U|nw}} ([[§30]]) – <b>unveränderlich</b> ist. Egal welches Genus und welchen Numerus das Subjekt bzw. das Prädikatsnomen haben: die Form ist immer {{U|pw}} ({{H|𓊪𓅱}}, {{H|𓊪&zwnj;𓏲}}). (Im Altägyptischen kann man hier gelegentlich noch Kongruenz mit dem Prädikatsnomen feststellen.) 



(3) Morphosyntaktisch setzt sich das {{U|pw}} im {{U|pw}}-Satz und im Dreigliedrigen Nominalsatz in der Regel hinter das erste Wort – genauer gesagt, steht <b>{{U|pw}} hinter der ersten untrennbaren Worteinheit</b>. Nicht trennbare Einheiten sind Substantiv + Suffixpronomen ([[§29]]) und Verbindungen des Direkten Genitivs ([[§26]]). Trennbar sind hingegen Verbindungen von Substantiv und <b>attributiven Adjektiven</b> ([[§55]]) und von Substantiv und <b><u>In</u>direktem Genitiv</b> ([[§26]]). In diesen Fällen steht das {{U|pw}} dann nicht nach, sondern <b>zwischen Substantiv und Attribut</b> (Adjektiv bzw. Indirekter Genitiv). Vergleiche die folgenden (konstruierten) Beispiele:

:{| {{NoBorderTable}}
| (*[{{U|zẖꜣ(w) jqr}}] {{U|pw}} →) <br/>{{U|<b>zẖꜣ(w)</b> pw <b>jqr</b> }} || {{H|𓏟𓀀𓊪𓅱𓇋𓈎𓂋𓏜}} || ‘Das ist ein <b>geschickter Schreiber</b>’,
|-
| (*[{{U|zẖꜣ(w) jqr}}] {{U|pw}} [{{U|sn⸗f}}] →) <br/>{{U|<b>zẖꜣ(w)</b> pw <b>jqr</b> sn<b>⸗</b>f}}  || {{H|𓏟𓀀𓊪𓅱𓇋𓈎𓂋𓏜𓌢&zwnj;𓈖𓀀𓆑}} || ‘Sein Bruder ist ein <b>geschickter Schreiber</b>’,
|-
| (*[{{U|nb n(.ï) p.t}}] {{U|pw}} →) <br/>{{U|<b>nb</b> pw <b>n(.ï) p.t</b>}}  || {{H|𓎟𓊪𓅱𓈖&zwnj;𓊪𓏏𓇯}}   || ‘Das ist der <b>Herr des Himmels</b>’,
|-
| (*[{{U|nb n(.ï) p.t}}] {{U|pw}} [{{U|Rꜥ(w)}}] →) <br/>{{U|<b>nb</b> pw <b>n(.ï) p.t</b> Rꜥ(w)}} || {{H|𓎟𓊪𓅱𓈖&zwnj;𓊪𓏏𓇯𓂋𓂝𓇳𓀭}}   || ‘Re ist der <b>Herr des Himmels</b>’.
|}


Verbindungen von Substantiv plus Suffixpronomen oder eine Direkter Genitiv-Verbindung kann das {{U|pw}} aber nicht aufbrechen:

:{| {{NoBorderTable}}
| {{U|nb-p.t pw Rꜥ(w)}} <br/>{{Übergehbar-Beginn}}(nicht **{{U|nb-pw p.t Rꜥ(w)}}){{Übergehbar-Ende}} || {{H|𓎟𓊪𓏏𓇯𓊪𓅱𓂋𓂝𓇳𓀭}}   || ‘Re ist der Herr des Himmels’, 
|-
| {{U|nb⸗j pw}}<br/>{{Übergehbar-Beginn}}(nicht **{{U|nb pw ⸗j Rꜥ(w)}}){{Übergehbar-Ende}}  || {{H|𓎟&zwnj;𓀀𓊪𓅱}}   || ‘Das ist mein Herr’,  
|-
| (*[{{U|nb pn nfr}}]<sup>NP</sup> {{U|pw}} →)<br/>{{U|nb pn pw nfr}} <br/>{{Übergehbar-Beginn}}(nicht **{{U|nb pw pn nfr}}).{{Übergehbar-Ende}}|| {{H|𓎟𓊪𓈖𓊪𓅱𓄤𓆑𓂋}}   || ‘Das ist dieser gute Herr’.  
|}

{{Literaturhinweise-Beginn}}
Allen (²2010: ch. 7.1, 7.6–11, 7.16); Schenkel (⁵2012: Kap. 6.1)
{{Literaturhinweise-Ende}}

{{Zitieren}}

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