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==Das hieroglyphisch-ägyptische Alphabet und „Einkonsonantenzeichen“==

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<b>Phon, Phonem</b>

Der menschliche Sprachapparat kann viele verschiedene Laute, linguistisch <b>„Phone“</b>, produzieren. Nicht alle werden in jeder Sprache zur Unterscheidung verschiedener Wörter genutzt. Bei den Lauten, die eine Sprache zur Unterscheidung verschiedener Wörter nutzt, spricht man linguistisch von ihren <b>„Phonemen“</b>. Die Phonem-Menge ist von Sprache zu Sprache verschieden.
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(1) Im hieroglyphisch-ägyptischen Schriftsystem des 2. Jt. v.Chr. werden ca. zwei Dutzend bedeutungsunterscheidende Laute (linguistisch „Phoneme“) wiedergegeben, für die sich folgende <b>„Umschriftzeichen“</b> eingebürgert haben: {{U|ꜣ}}, {{U|j}}, {{U|ï}}, {{U|y}}, {{U|ꜥ}}, {{U|w}}, {{U|b}}, {{U|p}}, {{U|f}}, {{U|m}}, {{U|n}}, {{U|r}}, {{U|h}}, {{U|ḥ}}, {{U|ḫ}}, {{U|ẖ}}, {{U|z}}, {{U|s}}, {{U|š}}, {{U|q}}, {{U|k}}, {{U|g}}, {{U|t}}, {{U|ṯ}}, {{U|d}}, {{U|ḏ}}. Die angegebene Reihenfolge bestimmt auch die Sortierung von Wörtern im Wörterbuch. Die Umsetzung hieroglyphischer Schreibungen in die damit wiedergegebenen Phoneme wird als „Umschreibung“, die resultierende Phonem-Symbolkette als <b>„Umschrift“</b> bezeichnet. 

: Beispiele: {{H|𓂋𓈖}} → {{U|rn}}, {{H|𓎡&zwnj;𓇋𓇋}} → {{U|ky}}, {{H|𓋴𓂋𓀙}} → {{U|sr}}. 

Da diese Art der Umschreibung in aller Regel nicht 1:1 alle Informationen der hieroglyphischen Schrift wiedergibt, sondern zu einem gewissen Informationsverlust führt (vgl. z.B. dreigliedriges {{H|𓋴𓂋}}{{H|𓀙}} → zweigliedriges {{U|sr}}), wird sie genauer auch nicht als [[§2|Transliteration]], sondern als „<b>Transkription</b>“ bezeichnet. Auch die resultierenden Phonem-Symbolketten, hier z.B. {{U|rn}}, {{U|ky}} und {{U|sr}}, werden als „Transkription“ bezeichnet. Die Umschriftzeichen werden analog auch als <b>„Transkriptionszeichen“</b> bezeichnet. Die folgende Liste führt noch einmal die Transkriptionszeichen der im hieroglyphisch-ägyptischen Schriftsystem geschriebenen Phoneme auf, sowie deren moderne Rufnamen, ihre Behelfsaussprache im deutschen Wissenschaftsalltag, sowie die hieroglyphischen Zeichen, die diese Phoneme einzeln wiedergeben, sog. <b>„Einkonsonantenzeichen“</b>.

{| class="wikitable"
! Transkription !! Gängiger<br/>ägyptologischer<br/>Rufname !! Deutsche <br/>ägyptologische <br/>Behelfsaussprache !! Entsprechende <br/>Hieroglyphe <br/>(Einkonsonantenzeichen) !!{{Übergehbar-Style}}|  Von Hieroglyphe <br/>dargestelltes Objekt
|-
! ||  || 1. Behelfsaussprache-<b>Vokale</b> ||  || 
|-
| {{U|ꜣ}} || <i>Alif</i> || (kurzes) <b><i>a</i></b> wie in <i>L<b>a</b>nd</i> || {{Hg|𓄿}}  ||{{Übergehbar-Style}}| ägyptischer Geier
|-
| {{U|j}} || <i>Jod</i> || rowspan="3"| langes <b><i>i</i></b> wie in <i>s<b>ie</b></i> || {{Hg|𓇋}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Schilfrohrblatt
|-
| {{U|ï}} || <i>Doppelstrich</i> || {{Hg|𓏭}} , {{Hg|𓏮}} ||{{Übergehbar-Style}}|  zwei Striche
|-
| {{U|y}} || <i>Doppelschilfblatt</i> || {{Hg|𓇋𓇋}} ||{{Übergehbar-Style}}|  zwei Schilfrohrblätter
|-
| {{U|ꜥ}} || <i>Ain</i> || (langes) <b><i>a</i></b> wie in <i>H<b>a</b>se</i> || {{Hg|𓂝}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Arm
|-
|rowspan="2"|{{U|w}} || <i>Waw</i> || rowspan="2"| (langes) <b><i>u</i></b> wie in <i>H<b>u</b>t</i>;<br/>an Wortanfang und -mitte <br/>teils <b><i>w</i></b> wie in engl. <b><i>w</i></b><i>ay</i> || {{Hg|𓅱}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Wachtelküken
|-
| <i>Waw-Schlaufe</i> || {{Hg|𓏲}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Adaption einer hieratischen Abk.
|-
!  ||  || 2. <b>„B</b>Le<b>MN</b>e<b>R“</b>-Konsonanten ||  || 
|-
| {{U|b}} || <i>b(e)</i> || <b><i>b</i></b>  || {{Hg|𓃀}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Bein
|-
| {{U|p}} || <i>p(e)</i> || <b><i>p</i></b>  || {{Hg|𓊪}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Hocker (oder Matte) aus Schilf
|-
| {{U|f}} || <i>(e)f</i> || <b><i>f</i></b>  || {{Hg|𓆑}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Hornviper
|-
| {{U|m}} || <i>(e)m</i> || <b><i>m</i></b>  || {{Hg|𓅓}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Eule
|-
| {{U|n}} || <i>(e)n</i> || <b><i>n</i></b>  || {{Hg|𓈖}} ||{{Übergehbar-Style}}|  gekräuseltes Wasser
|-
| {{U|r}} || <i>(e)r</i> || <b><i>r</i></b>  || {{Hg|𓂋}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Mund
|-
!  ||  || 3. „<b>H</b>-Laute“ ||  || 
|-
| {{U|h}} || <i>h(a)</i> || rowspan="2"|<b><i>h</i></b> (am Wortende zur Verdeutlichung <b><i>ch</i></b> <br/>wie in <i>Da<b>ch</b></i>) || {{Hg|𓉔}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Hof
|-
| {{U|ḥ}} || <i>h(a)-mit-Punkt /<br/>Emphatisches h(a)</i> || {{Hg|𓎛}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Docht
|-
| {{U|ḫ}} || <i>h(a)-mit-Bogen</i> || <b>raues <i>ch</i></b> wie in <i>Da<b>ch</b></i> || {{Hg|𓐍}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Schirm(?) <i>oder</i> Korb(?) von oben
|-
| {{U|ẖ}} || <i>h(a)-mit-Strich</i> || <b>zischendes <i>ch</i></b> wie in <i>i<b>ch</b></i> || {{Hg|𓄡}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Tierbauch mit Schwanz
|-
!  ||  || 4. „<b>S</b>-Laute“ ||  || 
|-
| {{U|z}} || <i>Riegel-(e)s</i> || (weiches) <b><i>s</i></b> wie in <b><i>S</i></b><i>and</i> || {{Hg|𓊃}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Türriegel
|-
| {{U|s}} || <i>Tuch-(e)s</i> || (scharfes) <b><i>ss/ß</i></b> wie in <i>Pa<b>ss</b>/Fu<b>ß</b></i> || {{Hg|𓋴}} ||{{Übergehbar-Style}}|  gefaltetes Stofftuch
|-
| {{U|š}} || <i>Schīn</i> || <b><i>sch</i></b> wie in <b><i>sch</i></b><i>ießen</i> || {{Hg|𓈙}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Teich
|-
!  ||  || 5. „<b>K</b>-Laute“ ||  || 
|-
| {{U|q}} || <i>Qaf</i> / <i><br/>Emphatisches k(a)</i> ||rowspan="2"|<b><i>k</i></b>  || {{Hg|𓏘}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Abhang
|-
| {{U|k}} || <i>k(a)</i> || {{Hg|𓎡}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Korb mit Henkel
|-
| {{U|g}} || <i>g(e)</i> || <b><i>g</i></b>  || {{Hg|𓎼}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Krugständer
|-
!  ||  || 6. „<b>T</b>-Laute“ ||  || 
|-
| {{U|t}} || <i>t(e)</i> || <b><i>t</i></b>  || {{Hg|𓏏}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Brotlaib
|-
| {{U|ṯ}} || <i>tsch(e)</i> || <b><i>tsch</i></b> wie in <i>Qua<b>tsch</b></i> || {{Hg|𓍿}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Strick
|-
| {{U|d}} || <i>d(e)</i> || <b><i>d</i></b>  || {{Hg|𓂧}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Hand
|-
| {{U|ḏ}} || <i>dj</i> || <b><i>dj</i>/<i>dsch</i></b> wie in <b><i>Dsch</i></b><i>ungel</i> || {{Hg|𓆓}} ||{{Übergehbar-Style}}|  Kobra
|}

{{Übergehbar-Beginn}}Hinweis: Zu abweichenden Transkriptionssymbolen anderer ägyptologischer Schultraditionen, namentlich {{U|ı͗}}, {{U|i̯}}, {{U|u̯}}, {{U|ś}}, {{U|ḳ}}, {{U|č}}, {{U|ṭ}} und {{U|č̣}}, siehe [[§16]].{{Übergehbar-Ende}}

In einer Handvoll von wichtigen ägyptischen Wörtern hat die Forschung aus bestimmten Gründen bislang nicht klären können, ob an einer bestimmten Stelle des Wortes ein {{U|ꜣ}}, ein {{U|j}} oder ein {{U|w}} anzusetzen ist. Man weiß nur, dass da einer der genannten Konsonanten gestanden haben muss. Hier wird ggf. ein <b>Platzhalter-Symbol „{{U|ʾ}}“</b> transkribiert, das auch als „sekundäres <i>Alif</i>“ bezeichnet wird (zu betreffenden Wörtern siehe [[§19]] (2)). Das {{U|ʾ}} wird wie {{U|ꜣ}} als (kurzes) <i>a</i> gesprochen und in Wörterbüchern vor {{U|ꜣ}} einsortiert. Man beachte sorgfältig den Unterschied zwischen den Transkriptionszeichen {{U|ꜣ}} (<i>Alif</i>), {{U|ꜥ}} (<i>Ain</i>) und {{U|ʾ}} (Platzhalter, „sekundäres <i>Alif</i>“).

	Es ist wichtig, grundsätzlich zu wissen, dass die oben angegebenen (deutschen) <b>ägyptologischen Behelfsaussprachen</b> nicht in allen Fällen den tatsächlich angenommenen antiken Lautungen der entsprechenden Phoneme entsprechen. Die ägyptologischen Aussprachen sind wissenschaftshistorisch begründet und heutzutage nur noch eine praktische Aussprache-Übereinkunft zwischen ForscherInnen, die <b>teils nichts mit der wirklichen Lautung zu tun</b> hat (zu den Details siehe ggf. unten). 

	Achtung: In der englischsprachigen Ägyptologie hat es sich verwirrender Weise eingebürgert, die Tran<u>skrip</u>tion als „<i>trans<u>litera</u>tion</i>“ zu benennen und die Trans<u>litera</u>tion (vgl. [[§2]]) teilweise als „<i>tran<u>scrip</u>tion</i>“.  


{{Kann übergangen werden|Der folgende Abschnitt}} 

(2) Die Kenntnis der wirklichen Lautungen der ägyptischen <b>„Phoneme“</b> ist zwar keine Grundvoraussetzung zum Erlernen der hieroglyphisch-ägyptischen Grammatik, ist aber Voraussetzung zum wirklichen Verständnis einiger orthographischer Phänomene ([[§5]] und [[§17]], [[§18]]). 

	Die Frage, wie die Phoneme einer Sprache in der Schrift wiedergegeben werden, spricht ein komplexes Problem an. Im Bezug auf das hieroglyphisch-ägyptische Schriftsystem des 2. Jt. v.Chr. ist zunächst festzustellen, dass es – ähnlich wie das arabische und hebräische Schriftsystem – in der Regel nur die <b>„Konsonanten“</b> („Mitlaute“, z.B. /t/, /k/, /f/) und einige <b>„Halbkonsonanten</b>/<b>Halbvokale“</b> ([j]~[i] und [w]~[u]; siehe [[§5]]) eines Wortes wiedergibt, jedoch <b>nicht die „(Voll-)Vokale“</b> („Selbstlaute“, z.B. /a/). 

	Phonem-Lautungen werden in der modernen Sprachforschung in Schrägstrichen mit standardisierten Symbolen, dem <i>International Phonetic Alphabet</i>, angeben (z.B. /i/, /m/, /ʕ/). Während fast alle Sprachen z.B. ein Phonem /m/ haben, sind andere Phoneme nur in bestimmten Sprachen zu finden, z.B. /ʃ/ (dtsch. <i>sch</i>). Die im Ägyptischen mit {{U|b}}, {{U|p}}, {{U|f}}, {{U|m}}, {{U|n}}, {{U|h}}, {{U|s}}, {{U|k}}, {{U|g}} und {{U|t}} transkribierten Phoneme entsprechen mehr oder minder den durch die Zeichen angegebenen Lauten des Deutschen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die angenommenen wirklichen Lautungen der übrigen geschriebenen Phoneme. 


{| class="wikitable"
! Transkription !! Anzunehmende wirkliche ägyptische Lautungen<br/>in Kodierung des <i>International Phonetic Alphabet</i>; <br/>Hörbeispiele: http://en.wikipedia.org/wiki/IPA_pulmonic_consonant_chart_with_audio
|-
| {{U|w}} || /w/ (Halbkonsonant, wie in engl. <b><i>w</i></b><i>ay</i>)
|-
| {{U|ï}} || /iː/ <b>oder</b> /j/ → /iː/ später teilweise vielleicht eher /ɛ/
|-
| {{U|y}} || /j/
|-
| {{U|j}} || /ʔ/ (ein Kehlklick wie in <i>The</i><b><i><u>'</u></i></b><i>ather</i> vs. <i>L<u>ea</u></i>) <b>und/oder</b> /j/ → später teilweise stumm<br/>(im An- und Auslaut wohl fallweise bloß Hinweis auf das Vorhandensein eines Vokals)
|-
| {{U|ꜣ}} || /ʀ/ <b>oder</b> /r/ → später meist /j/ oder /ʔ/ → noch später meist <b>stumm</b>
|-
| {{U|r}} || /ɺ/ <b>oder</b> /ɾ/(?) (/l/ oder /r/ mit einmaligem Zungenschlag?) → später teilweise /j/
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| {{U|ḥ}} || /ħ/ (= h mit „Emphase“; etwas stärker gehaucht)
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| {{U|ḫ}} || /ɣ/(?) (= etwa <i>ch</i> wie in <i>Bach</i>, aber gepresster; arab. <i>Ghain</i>)
|-
| {{U|ẖ}} || /x/ <b>oder /</b>χ<b>/</b>(?) (= etwa <i>ch</i> wie in <i>Bach</i>)
|-
| {{U|z}} || im Alten Reich noch /t͡s/ → später zu allermeist /s/
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| {{U|š}} || vor dem Alten Reich noch /x/ wie <i>ch</i> in <i>Bach</i> → später zu allermeist /ç/ oder /ʃ/ (= <i>sch</i>)
|-
| {{U|q}} || /kˀ/ (= k mit „Emphase“/Postglottalisierung)
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| {{U|ꜥ}} || vor dem Alten Reich /d/ → später größtenteils /ʕ/ (= gepresster Kehllaut: <i>Ain</i>)
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| {{U|d}} || /tˀ/ (= /t/ plus „Emphase“/Postglottalisierung)
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| {{U|ṯ}} || /c/ (= etwa <i>tj</i>) → später größtenteils /t/
|-
| {{U|ḏ}} || /cˀ/ (= etwa <i>tj</i> plus „Emphase“/Postglottalisierung) → später teilweise /tˀ/
|}


{{Literaturhinweise-Beginn}}

Schenkel (⁵2012: Kap. 2.1); Kammerzell (2005); Kammerzell, in Hannig (1995: xxiii-lix); Schenkel (1990); Werning (2016) 

{{Literaturhinweise-Ende}}


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